Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Entschuldigung. Doch hier, in Gegenwart der Leichen des
Beschützers der Krone und seines Gefolges, kann sie sich nicht mehr daran erinnern. Prachas Blick folgt dem ihren hin zum Leichnam des Somdet. Er fasst sie behutsam am Arm. Seine Stimme wird sanft. »Kommen Sie. Das ist zu viel für Sie.« Er führt sie hinaus.
»Ich …«
Pracha schüttelt den Kopf. »Sie haben es also bereits erfahren. « Er seufzt auf. »Heute Abend wird es die ganze Stadt wissen.«
Endlich findet Kanya die Sprache wieder und lässt ihre Lügen vom Stapel, um die Rolle zu erfüllen, für die Narong sie vorgesehen hat. »Ich wollte nicht glauben, dass es wahr ist.«
»Nicht nur das.« Ein grimmiges Kopfschütteln. »Der Täter ist auch noch ein Aufziehwesen.«
Kanya zwingt sich dazu, überrascht zu wirken. Sie wirft einen Blick zurück zum Ort des Blutvergießens. »Ein Aufziehmensch? Nur ein einziger?« Ihr Blick folgt den Scheiben, die sich überall in die Wand gegraben haben. Eines der Opfer erkennt sie wieder, es ist der Sohn eines Patriarchen zweiten Ranges – ein hochrangiger Mitarbeiter des Handelsministeriums. Ein anderer gehörte dem Chaozhou-Clan an, einer Fabrikanten-Familie, und Presseberichten zufolge war er ein aufsteigender Stern am Wirtschaftshimmel. Lauter Gesichter aus den Flüsterblättern. Sie alle waren große Tiger. »Es ist einfach furchtbar.«
»Noch dazu scheint es unmöglich, nicht wahr? Sechs Leibwächter. Drei weitere Männer. Und nur ein einziges Aufziehmädchen, wenn wir den Zeugenaussagen Glauben schenken können.« Pracha schüttelt den Kopf. »Dagegen ist selbst die Cibiskose ein sauberer Tod.«
Der gesamte Hals Seiner Exzellenz des Somdet Chaopraya war zerfetzt, aufgerissen und abgebissen worden, so dass die immer noch intakte Wirbelsäule wie ein Scharnier wirkte
und weniger wie eine Stütze. »Es sieht aus, als hätte ihn ein Dämon zerfleischt.«
»Oder zumindest ein wildes Tier. Etwas im Dienst des Militärs, von einem Genhacker erschaffen. Dergleichen haben wir auch schon im Norden erlebt, dort, wo die Vietnamesen agieren. Sie setzen japanische Aufziehmenschen als Späher und Stoßtrupps ein. Wir können von Glück sagen, dass sie nur wenige davon haben.« Er sieht Kanya eindringlich an. »Das wird auf uns zurückfallen. Das Handelsministerium wird behaupten, wir hätten versagt. Wir hätten diese Bestie ins Land gelassen. Sie werden versuchen, die Situation auszunutzen. Sie werden es als Vorwand nehmen, um noch mehr Macht an sich zu reißen.« Seine Miene verdüstert sich. »Wir müssen herausfinden, was das Aufziehmädchen hier zu suchen hatte. Ob es sich um eine von Akkarat gestellte Falle handelt, mit dem Somdet Chaopraya als Faustpfand für mehr Einfluss.«
»Er würde niemals …«
Pracha Gesicht nimmt einen geringschätzigen Ausdruck an. »Die Politik ist ein schmutziges Geschäft. Unterschätzen Sie nie, was moralisch verwerfliche Männer zu tun imstande sind, um an die Macht zu gelangen. Wir vermuten, dass Akkarat schon einmal hier gewesen ist. Einige der Angestellten scheinen sein Bild wiederzuerkennen, sie erinnern sich an …« Er zuckt die Achseln. »Natürlich haben sie alle große Angst. Keiner will zu viel verraten. Aber dennoch sieht es so aus, als habe Akkarat mit einem seiner Farang- Handelskumpane den Somdet Chaopraya zu dieser Heechy-Keechy gebracht.«
Stellt er mich etwa auf die Probe? Weiß er, dass ich für Akkarat arbeite? Kanya schiebt ihre Befürchtungen beiseite. Wenn er davon wüsste, hätte er mich niemals befördert und an Jaidees Stelle gesetzt.
»Das kann man nie wissen«, flüstert Jaidee ihr ins Ohr. »Eine Schlange im Nest ist besser als eine Schlange, die frei
im Dschungel umherstreift. So weiß er wenigstens immer genau, wo Sie sind.«
»Ich möchte, dass Sie ins Archiv gehen«, sagt Pracha. »Wir können nicht riskieren, dass wichtige Informationen verschwinden, nur weil es gewissen Leuten nützt. Haben Sie verstanden? Das Handelsministerium hat Agenten in unsere Reihen eingeschleust. Suchen Sie also alle Informationen zusammen, und bringen Sie sie mir. Finden Sie heraus, wie es möglich war, dass dieses Aufziehmädchen hier unbehelligt gelebt hat. Sobald die Sache bekannt wird, werden die Vertuschungsaktionen beginnen. Beamte werden lügen. Unterlagen werden verschwinden. Trotz all unserer Gesetze gibt es Leute, die dieser Kreatur geholfen haben. Das Ministerium wird dadurch angreifbar. Irgendjemand hat Bestechungsgelder angenommen. Jemand hat eine
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