Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
des Ministeriums werden vereinzelt Schüsse abgefeuert.
Schreie hallen über den Hof, Weißhemden sterben. Kanya zieht ihre Federpistole und zielt. Neben ihr stirbt ein Archivangestellter, den eine Scheibe getroffen hat. Kanya hält die Waffe fest umklammert und gibt einen Schuss ab. Sie kann nicht erkennen, ob sie ihr Ziel getroffen hat oder nicht. Sie feuert erneut, und der Mann geht zu Boden. Die auf sie zustürmenden Soldaten gleichen einem Tsunami.
Jaidee erscheint an ihrer Schulter. »Was ist mit Ihren Männern? «, fragt er sie. »Werden Sie ihr Leben so billig verkaufen und die Jungs, die auf sie angewiesen sind, im Stich lassen?«
Kanya drückt ab. Sie kann kaum noch etwas erkennen. Sie weint. Die Soldaten rücken weiter vor. Laufen geduckt unterhalb der Feuerlinie auf das Gebäude zu.
»Hauptmann Kanya, ich bitte Sie«, sagt Hiroko. »Wir müssen fliehen.«
»Los!«, drängt auch Jaidee. »Es ist zu spät, um zu kämpfen.«
Kanya nimmt den Finger vom Abzug. Es hagelt Scheiben. Sie rollt sich weg und kämpft sich in Richtung Haupteingang vor, versucht sich mit einem Sprung in die relative Sicherheit des Gebäudes zu retten. Dann rappelt sie sich auf und rennt zum Hinterausgang am anderen Ende des Ministeriums. Weitere Granaten schlagen ein. Das Gebäude erbebt. Sie fragt sich, ob es einstürzen wird, noch bevor sie den Ausgang erreicht hat.
Während sie hinter Hiroko und Pai über blutige Körper springt, kommen Erinnerungen an ihre Kindheit in ihr hoch. Erinnerungen an Zerstörung und Gräueltaten. An mit Kohle angetriebene Panzer, die durch Dörfer rattern und sich lärmend in langen Kolonnen über die wenigen gepflasterten Straßen der Provinzen schleppen, um sich schließlich mühsam einen Weg durch die Reisfelder zu bahnen. Panzerfahrzeuge, die in Richtung Mekong rasen, um das Königreich vor dem vollkommen unerwarteten, ersten feindlichen Vorstoß
durch die Vietnamesen zu beschützen. Auf ihrem Weg zur Grenze ziehen sie schwarze Rauchschwaden hinter sich her, die schweren Ketten reißen die Erde auf. Und jetzt sind diese Ungeheuer hier.
Sie hetzt durch den Hinterausgang des Ministeriums und gerät direkt in einen Feuersturm hinein. Bäume stehen in Flammen. Ein Napalmangriff wahrscheinlich. Rauch trübt ihr die Sicht. Irgendwo fernab zerschmettert ein weiterer Panzer ein Tor und rückt schneller vor, als irgendein Megodont es je könnte. Ihr Gehirn kann bei dieser Geschwindigkeit kaum noch mithalten. Diese Maschinen kommen ihr wie Tiger vor, die über die Steppe stürmen. Ihre nur mit Federpistolen ausgerüsteten Männer können gegen die stählerne Ummantelung der Panzerfahrzeuge nichts ausrichten; für einen Krieg sind sie nicht geeignet. Überall um sie herum zischen silbrige Scheiben durch die Luft, und Blitze zucken herab. Weißhemden versuchen sich in Sicherheit zu bringen, doch es gibt nirgendwo Deckung. Das Weiß trägt rote Blüten. Menschen werden von den Explosionen zerfetzt. Immer mehr Panzer rollen herbei.
»Was sind das für Truppen?«, schreit Pai.
Kanya schüttelt nur stumm den Kopf. Die Panzerdivision verwüstet das Gelände des Umweltministeriums rundum die brennenden Bäume. Weitere Einheiten treffen ein. »Sie müssen aus dem Nordosten kommen. Akkarat greift an. Pracha ist verraten worden.«
Sie reißt Pai herum und lenkt seine Aufmerksamkeit auf einen leicht erhöhten Punkt in der Ferne, wo sich noch Bäume erheben, dort, wo der Phra-Seub-Tempel vielleicht noch steht. Vielleicht können sie dorthin fliehen. Pai starrt zwar in die Richtung, bewegt sich aber nicht. Kanya zerrt weiter an ihm, und schließlich rennen sie beide los. Brennende Palmen stürzen in den Weg, und ein grüner Regen aus Kokosnüssen
geht auf sie nieder; ihre Schalensplitter fliegen in alle Richtungen. Von überallher erreichen sie die Schreie der Menschen, die von der gut geölten Militärmaschinerie in Stücke gerissen werden.
»Wohin jetzt?«, schreit Pai.
Kanya weiß keine Antwort. Als es Holzsplitter regnet, duckt sie sich weg und nimmt hinter einem brennenden Baumstamm Deckung.
Jaidee lässt sich neben sie fallen und grinst sie an – er schwitzt nicht einmal. Nachdem er über den Baumstamm gespäht hat, wirft er ihr einen Blick zu.
»Also gut, Hauptmann, für wen werden Sie jetzt kämpfen?«
40
Der Panzer überrascht sie alle. Im einen Moment fahren sie noch mit ihren Fahrrädern eine fast leere Straße entlang, und als Nächstes hören sie lautes Getöse, und ein Panzer schiebt sich vor
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