Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
gewesen. Jetzt muss Mr Lake diesen Zweck erfüllen.
Als Mr Yates den Tresor einbauen ließ, sagte er im Spaß, nun wären die Kronjuwelen in Sicherheit, und lachte dabei laut. Hock Seng zwang sich zu nicken, die Hände gegeneinanderzulegen und zu lächeln. Dabei musste er die ganze Zeit daran denken, wie wertvoll die Baupläne waren und wie dumm er gewesen war, dass er sie nicht abgeschrieben hatte, als das noch möglich war.
Und jetzt ist Yates fort, und ein neuer Teufel hat seinen Platz eingenommen. Wahrlich, ein Teufel! Mit blauen Augen und goldenen Haaren und harten Kanten, wo Yates weich gewesen war. Diese gefährliche Kreatur, die alles überprüft, was Hock Seng tut, die alles maßlos schwieriger macht und die irgendwie dazu gebracht werden muss, die Geheimnisse der Firma zu verraten. Hock Seng schürzt die Lippen. Geduld. Du musst geduldig sein. Irgendwann wird der fremde Teufel einen Fehler begehen.
»Hock Seng!«
Hock Seng geht zur Tür und winkt zu Mr Lake hinunter, um zu signalisieren, dass er seinen Ruf gehört hat. Er eilt jedoch nicht sofort nach unten, sondern wendet sich erst seinem Schrein zu.
Vor der Statue von Guanyin fällt er auf die Knie und fleht
sie an, sie möge Erbarmen haben mit ihm und seinen Vorfahren und ihm eine Chance geben, seine Ehre und die seiner Familie wiederherzustellen. Unter das goldene Schriftzeichen für »Glück« stellt Hock Seng eine Schale U-Tex-Reis. Dann schneidet er eine Blutorange auf und lässt sich den Saft über den Arm rinnen; eine reife Frucht, unverseucht – teuer. Aber mit bloßen Almosen darf man den Göttern nicht kommen, das Beste ist für sie gerade gut genug. Er zündet ein Räucherstäbchen an.
Kein Lüftchen regt sich, und der Rauch steigt kerzengerade auf und erfüllt erneut das Büro. Hock Seng betet. Er betet, dass die Fabrik nicht schließen möge und dass seine Bestechungsgelder ausreichen werden, damit die neue Ausrüstung ohne Schwierigkeiten durch den Bambusvorhang gelangt. Dass der fremde Teufel Mr Lake den Kopf verliert und seinen Argwohn aufgibt, und dass der verfluchte Tresor sich öffnen und seine Geheimnisse preisgeben wird.
Hock Seng betet um Glück. Selbst ein alter Yellow-Card-Chinese braucht Glück.
3
Emiko nippt am Whisky und wünscht sich inständig, sie wäre betrunken. Sie wartet auf das Zeichen von Kannika, dass die Zeit für ihre Demütigung gekommen ist. Noch immer hat sie sich nicht ganz mit ihrem Schicksal abgefunden, aber wie sie so in ihrer bauchfreien Minijacke und dem engen Pha-Sin -Rock dasitzt, fehlt ihr auch die Kraft, sich zu wehren.
Andererseits fragt sie sich, ob sie nicht doch alles verkehrt herum sieht – ob nicht gerade das verzweifelte Ringen um
Selbstachtung in den Untergang führt. Gut möglich, dass es eigentlich ihr Körper ist, diese Ansammlung von Zellen und manipulierter DNA — mit seinen seltsamen, unmittelbaren Bedürfnissen —, der ihr das Überleben sichert, indem er seinen Willen durchsetzt.
Sitzt sie nicht deshalb hier und lauscht den Trommelschlägen und dem Wehklagen der Pi klang, während sich die Mädchen unter Glühwürmchen winden und die Männer und Huren sie anfeuern? Mangelt es ihr an dem Willen zu sterben? Oder ist sie einfach zu starrköpfig, das zuzulassen?
Raleigh behauptet, dass das Leben in Zyklen verläuft, so wie das Wasser an den Stränden von Koh Samet bei Ebbe und Flut zurückgeht und wieder ansteigt, oder wie der Schwanz eines Mannes sich bei jedem hübschen Mädchen aufrichtet und schließlich ermattet niedersinkt. Raleigh klatscht seinen Mädchen mit der Hand auf den nackten Hintern, lacht über die Witze der Gaijin und erklärt Emiko, dass sie alles mit sich machen lassen soll, denn Geld ist Geld, und es gibt nichts Neues unter der Sonne. Vielleicht hat er ja Recht? Nichts, was Raleigh von ihr verlangt, ist nicht schon einmal verlangt worden. Nichts, was Kannika sich ausdenkt, damit sie vor Schmerzen aufschreit, ist wirklich ungewöhnlich. Sieht man davon ab, dass die Schmerzenslaute von den Lippen eines Aufziehmädchens ausgestoßen werden. Das zumindest ist etwas Neues.
Schaut! Fast ist sie ein Mensch wie wir!
Gendo-sama sagte immer, sie sei mehr als ein Mensch. Nachdem sie sich geliebt hatten, strich er ihr über das schwarze Haar und sagte, wie leid es ihm täte, dass die »Neuen Menschen« mehr Ansehen genossen, und außerdem sei es wirklich schade, dass ihre Bewegungen nie fließend sein würden. Aber immerhin, ihr Sehvermögen und ihre Haut waren
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