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Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl

Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl

Titel: Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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sein.«
    Sie schlägt seine Hand beiseite, aber gibt sich nicht besonders viel Mühe. Er hält ihre Hand fest. Ertastet den Stumpf, wo ihr ein Finger fehlt, liebkost ihre Knöchel. Plötzlich sind sie beide wieder ernst. Sie holt tief Luft und schluckt. »Wir haben so viel verloren. Ich könnte es nicht ertragen, auch noch dich zu verlieren.«
    »Das wirst du auch nicht. Ich bin ein Tiger. Kein Narr.«
    Sie drückt ihn an sich. »Das hoffe ich. Wirklich.« Er spürt ihre Wärme und ihren gleichmäßigen Atem, ihre Sorge um ihn. Dann richtet sie sich wieder auf und sieht ihn ernst an, ihre dunklen Augen voller Liebe.
    »Ich weiß, was ich tue«, sagt er.
    Sie nickt, ohne ihm jedoch wirklich zuzuhören. Stattdessen mustert sie ihn, seine Augenbrauen, sein Lächeln, seine Narben. Der Augenblick scheint sich ewig hinzuziehen, und fast hat er den Eindruck, dass sie versucht, sich seine Gesichtszüge einzuprägen. Schließlich nickt sie, als würde sie auf etwas lauschen, das sie sich selbst einredet, und ihre sorgenvolle Miene lichtet sich. Sie lächelt und zieht ihn zu sich heran, drückt ihm die Lippen ans Ohr. »Du bist ein Tiger«, flüstert sie, als wäre sie eine Wahrsagerin. Ihr Körper entspannt sich, und sie schmiegt sich an ihn. Voller Erleichterung spürt er, wie sie endlich wieder zueinanderfinden.
    Er drückt sie noch fester an sich. »Ich habe dich vermisst«, flüstert er.
    »Komm mit.« Sie befreit sich aus seiner Umarmung und nimmt ihn an der Hand. Führt ihn zu ihrem Bett. Zieht das
Moskitonetz beiseite und schlüpft unter den hauchzarten Baldachin. Kleider rascheln, gleiten zu Boden.
    »Du riechst noch immer nach Rauch«, sagt die Schattenfrau neckisch.
    Jaidee schiebt das Netz beiseite. »Und Whisky. Vergiss den Whisky nicht.«

5
    Die Sonne späht über den Rand der Erde und taucht Bangkok in ihr gleißendes Licht. Flüssigem Feuer gleich ergießt sie sich über die Ruinen der Expansionshochhäuser, die wie Knochen aus grauer Vorzeit aufragen, und über die mit Gold ummantelten Chedi der Tempel, hüllt sie ein in Hitze und Helligkeit. Sie entzündet die hohen, spitzen Dächer des Großen Palasts, wo die Kindskönigin mit ihren Bediensteten eingeschlossen ist, und entflammt die filigranen Verzierungen des Schreins der Stadtsäulen, wo vierundzwanzig Stunden am Tag die Gesänge der Mönche zum Schutz der Stadtdeiche und Dämme erklingen. Über den blutwarmen Ozean flackern blaue Wellen, in denen sich das Sonnenlicht spiegelt.
    Schließlich erreichen ihre Strahlen den Balkon von Anderson Lakes Wohnung im sechsten Stock und dringen in die Zimmer ein. Am Rande der Veranda rascheln Jasminranken in der heißen Brise. Anderson blickt auf, die blauen Augen gegen das grelle Licht zusammengekniffen. Schweißtropfen glitzern wie Juwelen auf seiner blassen Haut. Jenseits des Geländers gleicht die Stadt einem geschmolzenen Ozean, und wo die Glut der Sonne über Glas und Türme brandet, scheint alles in Gold getaucht.

    Er sitzt nackt auf dem Boden; um ihn herum sind Bücher aufgeschlagen: Verzeichnisse von Flora und Fauna, Reiseaufzeichnungen – die ganze Geschichte der südostasiatischen Halbinsel ist über das Teakholz verteilt. Schimmlige, zerfallende Bände. Papierfetzen. Halb zerrissene Tagebücher. Die ausgegrabenen Erinnerungen an eine Zeit, als Zehntausende von Pflanzen noch ihre Pollen und Sporen und Samen ausschickten. Die ganze Nacht hat er über der Arbeit zugebracht, und trotzdem kann er sich kaum an die vielen Varianten erinnern, die er überprüft hat. Stattdessen kehren seine Gedanken immer wieder zu dem Anblick nackter Haut zurück – zu einem Pha Sin, der die Beine eines Mädchens hinaufgleitet, zu der Erinnerung an Pfaue, die hoch auf einer purpur schimmernden Welle reiten, feuchte Schenkel, die sich geschmeidig öffnen.
    Im fernen Gegenlicht ragen die Hochhäuser von Ploenchit empor. Drei Schattenfinger recken sich in dem schwülgelben Dunst himmelwärts. Bei Tageslicht sehen sie eher aus wie Slums aus der Expansionszeit; nichts weist auf ihr pulsierendes, triebhaftes Innenleben hin.
    Ein Aufziehmädchen.
    Seine Finger auf ihrer Haut. Ihre dunklen, ernsten Augen, als sie fragte: »Möchten Sie sie berühren?« Anderson holt bebend Luft und schiebt die Erinnerungen beiseite. Sie ist das genaue Gegenteil der invasiven Seuchen, mit denen er es Tag für Tag zu tun hat. Eine Treibhauspflanze, die es in eine Welt verschlagen hat, die zu rau ist für ihr erlesenes Erbgut. Es scheint

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