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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Conques, der Raum machte den größten Eindruck auf mich. Raum des Glaubens, Raum des Geistes, Raum für meine Füße. Du schaffst meinen Schritten weiten Raum, meine Knöchel wanken nicht. [81] In diesem romanischen Raum ging der Herr auf. All das vorausahnend, plante ich eine kleine, fromme Besichtigung und Einkehr. Doch hier drinnen wartete eine dichte Menschenmasse auf die Messe — wogend, rauschend, staunend, aus tausend Kameras blitzend und klickend. Eine Klosterschwester übte am Altar mit den Besuchern die Meßgesänge ein. Sie hatte eine sehr schöne Stimme, was mir Mut machte. Und Mut brauchte ich. Die Sitzbänke waren schon alle belegt, die Gänge und Seitenschiffe auch. Es überraschte mich, damit habe ich irgendwie nicht gerechnet. Wo kamen all diese Leute plötzlich her? Keiner auf dem Weg, keiner im Pilgerbüro, die Altstadt nicht einmal besonders voll von Touristen. Aber ja doch. Überall war es leer, weil alle hier waren und die emporragenden Säulen, die hohe romanische Wölbung, den edlen Apostel, das silberne Weihrauchfaß bestaunten. Eine Besichtigung in stiller Ehrfurcht war nicht möglich. Statt dessen, wollte ich nicht während der ganzen, gewiß langen Messe stehen, und das wollte ich auf keinen Fall, mußte ich mir jetzt sofort einen geeigneten Sitzplatz suchen. Sollte es überhaupt noch einen geben. Und doch fand ich ihn bald gar üppig bemessen neben drei älteren Damen, die allerdings stracks auf die unfeine spanische Altweiberart zu stänkern begangen, der Platz habe für ihre Freundinnen unbedingt frei zu bleiben, diese kämen erst später. Seit wann werde denn in der Kirche Sitzplatz reserviert? Ich habe, um eben diesen Platz einzunehmen, dreitausend Kilometer gehen müssen! Ob sie es denn anders sehen würden? Sie gaben auf, es waren zu schwere Geschütze. Aber zufrieden waren sie nicht. Auch dann nicht, als gar keine Freundinnen kamen. Sich ein Maulkorb auferlegen zu lassen, das gab es nicht. Wohl nicht einmal, wenn es vom Apostel persönlich käme.
    Es war vielleicht nicht der beste, der erhabenste Gottesdienst, an dem ich in meinem Leben je teilnahm. Dafür sorgten die überall herumstehenden, eifrig fotografierenden, herumlaufenden Menschen und die drei feindlich gesinnten Alten neben mir. Aber für mich war er erhaben genug. Nicht zuletzt deshalb, weil er in einem herrlichen, feinen Spanisch vorgetragen wurde. Nur zweimal, in Roncesvalles , am Anfang des Camino Francés, und hier, an seinem Ende, hörte ich die frohe Botschaft so klar und erhaben. Dazwischen lag ein Kauderwelsch, wie man es in Lateinamerika zu hören bekommt — undeutlich, verschwommen, mit verfärbten Lauten und diffuser Worttrennung. Das reinste Castellano , das Spanisch klar wie Stahl klingen läßt, schien kaum jemand mehr zu sprechen. Doch hier brachte ein Bischof das Wort Gottes im Festkleid unter die Gemeinde, und ich verstand jedes Wort, auch als man die Pilger ausrief, wie es die Tradition verlangt, nun aber wegen der Riesenmenge nicht mehr namentlich, sondern nur gruppenweise, darunter auch die hundertfünfzig Buspilger aus Polen, die da dicht beisammen in den ersten Reihen saßen und vor Stolz schwollen.
    Natürlich war ich neugierig auf den Weihrauchkübel, wie er hurtig durch die Kirche fliegen wird, aber denkste. Erst am Ende der Messe, als ich damit gar nicht mehr rechnete und mit dem Gedanken endgültig abschloß, da entfachte man das Feuer und schwang es hin und her. Nicht allzu toll und dann auch nur quer, nicht längsseits des Kirchenraumes. Es riß auch nicht ab und flog nicht durch das Fenster davon wie einst, und war überhaupt ziemlich unspektakulär. Heute aber ist es auch damit vorbei, da angeblich die Pendelbewegung die Statik des Kirchenturmes zu sehr belaste. Vielleicht. Vielleicht aber machte sich einer nur dieselben Gedanken wie ich. Jedenfalls belastete das Pulverfaß die Statik die ganzen Jahrhunderte davor, ohne daß sich jemand deswegen den Kopf zerbrach, ohne daß die Kirche einstürzte oder im Rauch aufging. Nie gab es Verletzte oder gar Tote. Ein Wunder wohl. Ich kann es mir nur damit erklären, daß der Apostel selbst seine schützende Hand darüber hielt. Das es heute aber überall an Glauben fehlt, will man nun mehr lieber auf die Statiker hören. Sogar im einst erzkatholischen Spanien.
    Währenddessen formte sich schon eine lange Schlange vor der Treppe zu der silbernen, buddhaartigen Statue des sitzenden Apostels, die den Altar dominiert. Eigentlich ist sie aus Holz,

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