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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Saarbrücken, bereiste seit Jahren die ganze Welt und meinte beiläufig, sie sei letztes Jahr auf einer Pilgerschaft zu Fuß in Indien gewesen, und die „Qualität“ der Dienstleistungen dort sei mit den spanischen durchaus vergleichbar. Mit den schwatzhaften Spaniern aber habe ich mich später angefreundet, und wir verbrachten noch gute Zeit miteinander.
    Der Weg nach Finisterre ist nicht mehr so überlaufen wie der Camino. Dies, und das viele Grün, machen ihn attraktiv. Zumindest für solche, die nach so langer Zeit nicht aufhören können zu laufen und nach dem Gedränge zuvor Einkehr suchen. Es gibt derer nicht mehr so viele. Die meisten machen diese Reise mit dem Bus, der mehrmals täglich zwischen Santiago und Finisterre verkehrt. Es gibt deshalb nur wenige und dazu recht kleine Unterkünfte auf diesem Abschnitt. Die Herberge in Negreira, die einzige im Umkreis von zwanzig Kilometer, hat nur achtzehn Betten. Die freilich alle schon belegt waren, als ich dort ankam. Es war meine eigene Schuld. Wäre ich nicht so faul unter dem Kreuz gelegen, wäre statt dessen tüchtig marschiert, hätte ich auch ein Bett. Vielleicht. Nun aber kam ich an, und vor der Herberge stand schon eine lange Schlange anderer, die vor mir kamen und nun auf die Verwalterin und ein Wunder warteten, weil eben alle Betten längst belegt waren. Ein paar andere stellten im Garten Zelte auf. Immerhin eine gewisse Perspektive. Aber bei Nachttemperaturen um vier Grad Celsius – hier stand der Herbst schon in voller Blüte – wäre das nichts für mich. Mit dem hohen Fieber und der dünnen Ausrüstung, die ich hatte, rechnete ich mir für diese Nacht recht schlechte Chance aus. Und heute war ich mir nicht der Hilfe des Herrn so sicher, weil ich ihn in meiner schwachen Verfassung und kleinlichen Selbstsucht noch gar nicht bemerkte. Vielleicht hielt er das Geschäft unter uns für abgeschlossen und kümmerte sich nun lieber um andere, bedürftigere, die ihr Pilgerziel noch nicht erreichten. Da gab es viele, dessen war ich mir sicher. Davon zeugten auch die Kreuze am Weg. Dann aber dachte ich an den Kiesel, mein zweites Gesicht, und hielt inne und wartete wie die anderen, bis die Verwalterin, eine noch junge, gutgenährte Frau, kam, um die sich zuspitzende Lage zu entwirren. Und sie kam, nahm Platz und fragte unbefangen, wer denn der Letzte gewesen sei. Sie meinte, das war zumindest für mich grammatisch faßbar, den Nächsten nach dem Letzten, der zuvor noch ein Bett bekam. Alle Piefkes zeigten Unisono mit dem Finger auf mich. Sie kennen sich in fremden Kulturen und Sprachen selten aus und meinen, sich bei der Obrigkeit anbiedern zu müssen. Wohl trauten sie mir zu, mich illegal vorzudrängen, und dem galt es vorzubeugen. Wegen des hohen Fiebers allein hätte ich es auch ohne Skrupel getan. Ich war bestimmt der Bedürftigste von allen hier. Die Frau beäugte mich einen Augenblick und eröffnete dann, sie habe noch ein Behindertenzimmer, das bis zwanzig Uhr zu reservieren sei, dann aber von mir und dem nach mir Nächsten, was der Saarbrücker war, belegt werden könne. Es verschlug den Piefkes den Atem. Das meine ich wörtlich. So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten. [83] Man muß ja Gottes Wort nicht direkt anzweifeln, um dennoch überrascht zu sein, wenn es sich buchgetreu erfüllt. Ich aber wußte, daß es so war, weil der Herr immer präsent ist, und machte ich das Gesicht auch zum Kiesel, er ließ mich nicht zuschanden. Denn ich war mir wirklich nicht sicher, ob ich die Nacht draußen hätte überstehen können.
Olveiroa, km 3031
    Nachdem mir der Saarbrücker also die Freundschaft gekündigt hatte, setzte ich nun den Weg in aller Frühe mit Rachel und einem Physikstudenten aus Cambridge fort. Rachel erzählte, wie sie in Miami Meeresbiologie studierte und dann die Doktorarbeit schmiß, weil ihr das Herumreisen in der Weltgeschichte wichtiger wurde. Ich nehme an, daß der Vater, ein wohlhabender Apotheker, das Nachsehen hatte und alles finanzierte. Er hätte seine inzwischen zweiunddreißigjährige Tochter bestimmt viel lieber längst unter der Haube gesehen, mochte sich doch ein anderer ihrer Launen und Kosten annehmen. Mir selbst war es recht unverständlich, warum diese hübsche, intelligente, mit anderen Worten tolle Frau bisher keinen gleichwertigen Mann fand, der sie hätte bändigen können. Es gab bestimmt ein Grund, so wie wir alle nicht grundlos ein Kreuz mit uns schleppen. Aber es stand mir nicht zu, nach

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