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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Wochen in keinem größeren Geschäft war und wie im Traum durch die Masse der Waren wandelte. Es war unglaublich. All das brauchte der Mensch, um Mensch zu sein? Ich nahm es ihm nicht übel, nur erstaunt war ich. Wie früher einmal ein armer Ostblocktourist auf seiner ersten Reise in den freien, reichen Westen. Lächelnde, adrette Angestellte standen herum und sahen uns wohlwollend zu und gaben uns Proben zum Geschenk, so daß wir einiges, was wir brauchten, gar nicht kaufen mußten. Vor lauter Staunen vergaß ich dann auch das zu kaufen, was ich zu Abend kochen wollte, aber es machte nichts, weil ich es dann in der Herbergsküche von anderen geschenkt bekam, was mich dann so verwirrte, daß ich in meine Spaghetti statt Öl, Essig goß. Es hatte die gleiche Farbe, schmeckte dann aber sehr abartig koreanisch. Jeder in dieser Herberge war nett, jung und gesprächig und aus einem anderen Land rund um den Globus. Ich aber hatte noch klaustrophobische Vorurteile und zu lernen, wie man in einem Raum von dem Maß einer Gefängniszelle mit acht Mann schläft, denn ich bin in meinem Leben schon zweimal im Schlaf überfallen worden und mußte meine kleinlichen Instinkte irgendwie zähmen. Todmüde schlief ich glücklicherweise sofort ein, wachte dann aber nach Mitternacht aufrecht im Bett sitzend auf. Es dauerte einen Augenblick, bis ich herausfand, daß mich ein bestialischer Gestank aus dem Schlaf schreckte. Aber es war nur der nette koreanische Zimmernachbar, der sich nach einer Nachttour durch die Stadt vor dem Einschlafen mit etwas Exotischem wie Drachenfett und Galle einrieb. Ich schenkte ihm einen wirklich strafenden Blick, aber er scherte sich nicht darum und schlief weiter.
Thun, km 681
    Nun war die Schlechtwetterperiode endgültig vorbei, kein Regen mehr in Sicht, nur gewaltige Restwolken, die mich noch auf dem Weg aus der Stadt begleiteten. Ich wanderte gelassen nach dem Frühstück und einem guten Gespräch mit einer älteren deutschen Frau über die Meriten des Jakobsweges durch die Straßen und schritt bald frei und fröhlich auf einem Waldpfad oberhalb des Thuner Sees. Darüber blendete der Schnee der Gletscher die Augen. Weiß auf Azurblau, darunter das Dunkelgrün der Wälder, noch tiefer das Hellgrünblau des Sees. So schön, daß man immer wieder kurz wegsehen mußte, um es auszuhalten. Ich hätte vor Freude ein Salto schlagen mögen, und ich hätte es vielleicht getan, wäre der Weg nicht so eng. Die Dörfer umging ich hoch am Hang, sie lagen wie kleine Spielzeuge unten am Seeufer, gut wohl für die zahlenden Autotouristen, ich aber stand darüber, frei wie ein Vogel. Hie und da lag eine Yacht in einer Bucht – nur so zum Träumen. Der Apostel der Schweizer, Beatus, der angeblich vom Petrus persönlich den Auftrag erhielt, die Schweizer zum Christentum zu bekehren, lebte hier in einer Höhle bis er Hundert wurde, nachdem er einen bösen Drachen mit dem Kreuz verbeult hatte. Eigentlich handelt es sich um ein weitverzweigtes Höhlensystem mit Tropfsteinen, Wasserfällen und unterirdischen Seen. So etwas freilich zieht zahlende Besucher an. Und so haben die modernen Erben ein Restaurant samt Eintrittskasse vor den Eingang gestellt. Eine Weile begleitete ich einen Aufsichtsrat, der dort ein Arbeitsessen gab. „Das machen wir häufig, es ist inspirierend!“ Fröhlich und ernst zugleich trabten die honorigen Herren mit Sakko und Aktentasche unter dem Arm den steilen Berg hoch, schließlich war man nicht zum Spaß da, sondern hatte noch zu arbeiten. Es war zwar etwas ungewohnt, aber mir gefiel die Einstellung und auch die Leute. Ich beäugte die Höhle und das Restaurant von außen und zog ohne Reue weiter. Für meine Mittagspause schien mir die Loggia der Kirche in Merligen einige Kilometer weiter viel geeigneter. Der Platz war fast perfekt. Sonnig, geschützt und mit grandioser Sicht. Ich holte mir ein Kissen von der Kirchbank, zog die Stiefel und Socken aus und ließ sie in der Sonne trocknen. Doch nahte auch schon das Unheil. Es war eine ältere Pilgerfrau, so um die Fünfzig. Ich sah sie schon eine Weile vor mir her gehen, mit den heutzutage unumgänglichen Skistöcken wedelnd. Sie schien nicht eingeholt werden zu wollen, beeilte sich mächtig sich immer wieder umdrehend und hinter einer Wegbiegung war sie plötzlich verschwunden. Nun kam sie auf einmal hinter mir her. Sie sei Deutsche, sprach aber mit einem auffällig schweren polnischen Akzent. Sie fragte mich kurz aus und fing sofort über meine

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