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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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zweifelhafte Herkunft die Nase zu rümpfen an. Das Land war voller Türken, Araber und Vietnamesen, und die Alte machte sich Sorgen über meine vermeintlich ungenügende deutsche Herkunft? Und das noch mit einem Accent avec klaxon , wie die Franzosen charmant zu sagen pflegen. An dem Thema war sie jedenfalls sehr interessiert, aber sie wollte partout nichts über sich selbst erzählen. Derlei Fragen ignorierte sie einfach. Nun, sei es darum, dachte ich, doch merkte bald, daß ich auch sonst zu kurz geraten bin. Was ich auch sagte, es lag fundamental unter dem Niveau ihrer Überzeugung. Und schon nach fünf Minuten Gespräch stellte sie fest, ich sei ein „sehr kritischer Mensch“. Vermutlich erwähnte ich die letzte Übernachtung und die Schweizer Preise. Das lag mir ja am Herzen. Sie mochte nicht wie ich sein, sie mochte auch nicht mit mir verheiratet sein. So ein Zufall doch! Habe ich das nicht schon mal gehört? Und es war noch gar nicht so lange her. Ich sah mir die alte Gurke genauer an, was ich bis dahin aus naheliegendem Grunde versäumte. Hatte sich vielleicht Frau Butz wie angedroht doch noch aus Steingaden auf den Weg gemacht, um mich hier an diesem paradiesischen Ort inmitten meiner Mittagsohnmacht einzuholen und mir den letzten Schlag zu versetzen? Eine sehr brisante spekulative Vorstellung, der ich nicht weiter folgen wollte. Lieber ging ich in die Kirche beten. Demut und Bescheidenheit. Später entdeckte ich da einen schönen Stempel für den Pilgerpaß. Das machte mich dann wohl nochmals übermütig, und ich trat entschlossen ins Freie, tat die Probe auf Exempel und fragte die fremde Pilgerfrau, ob sie meine, ich sei „unpraktisch“. Und obwohl eine solche Frage — aus heiterem Himmel vor der Kirchenpforte gestellt – außer für Frau Butz vielen doch zu befremdlich sein müßte, war diese hier nicht im mindesten überrascht. Sie bejahte sofort und kategorisch: „Das sieht man doch schon daran, wie sie ihre Schuhe binden!“ Ich verbiß mir die Schadenfreude, der Herr war ja nah.
    Thun erreichte ich dann schließlich mit dem Schiff. Nur den einzigen letzten Kilometer, nicht mehr, schwamm ich. Als ich im Vorbeigehen den historischen Dampfer sah, wie er sich gerade anschickte anzulegen, konnte ich nicht widerstehen. Man muß wissen, für große und kleine Kinder ist so ein alter Dampfer eine sehr große Versuchung. Das schien auch den Betreibern so, sie kassierten ganze sieben Fränkli für diese kurze Fahrt. Durch einen Bordausschnitt konnte man die Kolben hin und her flitzen sehen. Vermutlich aber war es nur eine Finte, weil gar kein Rauch und kein Dampf aus dem hohen Kamin stiegen. Ich klagte nicht, ich war in der Schweiz. Nun aber fing ich an, die Kosten zu bedenken. In Thun kostete laut Führer die Übernachtung nicht weniger als siebzig Franken, ein Massenlager wie die Backpacker’s war hier gar nicht verzeichnet, auch hatte ich nach einem solchen keine Sehnsucht. Interessanterweise sah man hier überhaupt keine Asiaten oder Russen oder Ähnliches, alles bieder und grundsolide. Das nächste Etappenziel hieße Amsoldingen, war jedoch — obwohl nur ein mickriges Dorf — keinen Deut billiger. Und ich hatte gerade erst eine exorbitant kostspielige Kreuzfahrt hinter mir. Das Portemonnaie wiegend besann ich mich sofort auf die Tugenden meiner Jugend und beschloß weiterzugehen, um später irgendwo am See oder im Wald bei wilden Tieren zu lagern. Einen geeigneten sauberen Platz werde man schon finden, dachte ich, früher oder später. Unter den volkstümlichen Klängen einer Hochzeitkapelle marschierte ich durch eine herrliche Parklandschaft den gepflegten Uferweg entlang. Die Hochzeiter in Frack und Abendkleid reihten sich zu einem Gruppenbild auf. Haute couture und Champagner vor einer historischen Kulisse – wie in Andechs. Alles sehr harmonisch und verträumt. Es muß ein Sonn- oder Feiertag gewesen sein, überall flanierten Menschen in feierlicher Stimmung. Stück weiter wechselte das Bild schon. Hier baute man eine riesige Wasserbühne für ein Konzert auf. Davor soffen an einem Kiosk Jungendliche zu gräßlicher Punkmusik. Hier war der Thunersee zu Ende, und hier am Ufer zu schlafen, ging nicht. Es blieb nur noch der Wald. Zum Abschied nahm ich ein Bad. Wenigstens mußte ich später nicht verschwitzt und staubig schlafen. Aber es war noch immer Thun oder besser gesagt seine Vorstadt, die sich scheinbar endlos in alle Richtungen erstreckte. Viele Autos flitzten herum, es herrschte

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