Bis ans Ende der Welt (German Edition)
die anwesenden Pilger sangen Hymnen auf die Gastlichkeit dieser Leute, denen u n ser Wohlsein offenbar wirklich was bedeutete. Um diese Zeit habe ich bereits an die fünf Kilogramm Gewicht verloren und hatte einige Probleme, meine inzw i schen völlig verschlissene Wanderhose über der Hüfte zu halten. Deshalb war ich für eine anständige Mahlzeit gleich doppelt dankbar. Auch wenn ich dafür in dieser Nacht nicht ganz so bequem schlief, so war es ein kleiner Preis. Mer k würdigerweise machte mir der erhebliche Weinkonsum keinerlei Probleme, nicht jetzt und nicht später. Der Körper verbrannte alles sofort zu Zucker, und ließ mir nicht einmal das Kopfweh übrig. In der Nacht saß ich schon wieder im Garten und redete mit dem Herrn über himmlische Dinge und seine Wunder, die er ungefragt über uns ausschüttet, und das Universum mit allen Sternen und Pl a neten drehte sich nur um uns und diesen Ort und nicht, wie vielfach behauptet, sinnlos herum und auseinander. Und der Mond hing so tief und fast zum Greifen nah, so daß man glatt hätte glauben können, das dort von den Amerikanern ve r gessene Mondauto vor der Bar an einem Hydranten parken zu sehen.
Moissac, km 1715
Deshalb, und weil das Frühstück dem Abendessen in Menge und Qualität nicht nachstand, war ich der allerletzte, der am nächsten Morgen den Gîte verließ. Bei all der Faulheit und Gefräßigkeit, wie habe ich es nur bis hierher geschafft? Ke i ne Frage, doch nur durch Fleiß und Begabung! Langsam trottete ich dahin, dann doch wieder schneller und motivierter, weil es gut bergab ging und mich das Gewissen antrieb. Auf den Besuch der Altstadt von Lauzerte verzichtete ich li e ber. Der Grund war der von gestern, und die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Der Berg war aberwitzig steil. Der Fluß fließt nicht auf Berge. Ich hoffte trot z dem, hier irgendwo am Stadtrand noch eine Bäckerei zu finden. Alle Vorräte waren praktisch aufgebraucht. Aber umsonst. Hätte ich vielleicht doch in die Stadt gehen sollen. Unten am Fluß traf ich auf einer hüfthoch bewachsenen Wiese Laure, Céline und Angela, die dort seltsam unschlüssig herumstanden. Sie müssen schon eine Weile da gewesen sein, ein kleines Feld haben sie schon freigetrampelt. Doch war es für eine Ruhepause noch zu früh. Sie haben oben in der Stadt in der kommunalen Herberge übernachtet, und schimpften wie die Spatzen über sie. Da hatte mich der Herr wohl in ein besseres Haus geführt. Ich dachte, sie werden sich mir nun anschließen. Ich habe die Zeit mit Sissi und J o anna nicht vergessen und hätte gegen die Begleitung von drei hübschen Jungfern nichts einzuwenden. Doch sie machten irgendwie verlegenen Eindruck und ke i nerlei Anstalten weiterzugehen. Frauen sind halt immer irgendwie seltsam. Z u mindest für mich. Ich machte mich also lieber auf den Weg. Aber das hieße, zu billig davonzukommen. Und so schenkte mir eines der Mädchen zum Abschied noch eine Baguette. Nicht nachvollziehbar. Es hatte doch nur die eine! Vermu t lich beliebte der Herr wieder zu scherzen, oder er bediente sich wie gewohnt einfach des nächst verfügbaren Mittels. Die irrsinnigsten Zufälle brachte er z u stande, und sei es nur, um einem etwas mitzuteilen. Darin war er ein Meister. Und zuckte dabei nicht mal mit der Wimper. Aber das Brot war für mich wic h tig, und es blieb auf dieser Tagesetappe nur diese eine Gelegenheit dranzuko m men. Bis nach Moissac gab es tatsächlich keinen Laden, kein Restaurant. Ich wollte es nun wissen und hielt fleißig Ausschau.
Moissac stellte für mich ein wichtiges Zwischenziel dar. Nicht nur, weil es seit dem Mittelalter eine wichtige Station für alle Pilger auf der Via Podiensis ist. Es ist auch eine der wenigen größeren Städte auf dem Camino, die ich schon zu Hause auf der Karte ausfindig machen konnte. Es gibt deren ja nicht zu viele, meist geht es über Berge und Täler an der Zivilisation vorbei. Die Hälfte des Weges durch Frankreich lag hinter mir, noch etwa zwei Wochen, bis ich das Land verließ. Was ich indessen bedauerte, so viele liebe Menschen habe ich da kennengelernt. Alle waren sie lieb zu mir, manche gewann ich als Freunde. Manche, die mit mir zusammen in Le Puy losgingen, wollten von da nach Hause zurück. Man geht halt in Frankreich den Camino in Jahresetappen und kommt auch ans Ziel. Und da der Franzose keine Gelegenheit ausläßt, um gemeinsam zu speisen, war freilich auch ein Abschiedsessen angesagt. Das war auch mir sehr willkommen. Da war ich
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