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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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forttragen.
    Die Herberge lag nur ein paar Schritte entfernt, was ungeheuer praktisch war. Es war ein ziemlich großer Bau mit Innenhof, voller Pilger. Zur Begrüßung gab es Limonade und sogar ein deutsches Fräulein als Ansprechpartner für die deutsc h sprachigen Gäste. Lüdtke und Monika, die ja kein Französisch kannten, waren dankbar für die zusätzliche Kommunikationsmöglichkeit. Ich bekam ein Zi m mer, karg wie eine Gefängniszelle, doch nur für mich allein. Ein Luxus. Das Fräulein mochte mich offensichtlich. Das überraschte mich längst nicht mehr, war ich ja schließlich einem berühmten Segler ähnlich. Also machte ich das B e ste daraus und fragte es nach einer Wanderhose. Viele der Pilger lassen oder vergessen Teile ihrer Ausrüstung in den Herbergen. Und ich benötigte dringend eine neue Hose. Aber der Herr lachte nur. Mit trauriger Miene, die wohl echt war, brachte das deutsche Fräulein ein Paar leichte schwarze Joggershorts einer Nobelmarke für Sportbekleidung. Mehr sei nicht da gewesen. Ich nahm die Shorts. Sie war zwar nicht unbedingt das, was ich wollte und brauchte, wog aber fast nichts und tat mir später noch gute Dienste. Doch mein Problem war damit längst nicht gelöst. Ich brauchte etwas Robusteres für schlechtes Wetter. Die Hitzeperiode werde nicht ewig halten, und die Pyrenäen kamen immer näher, das stand fest. Nicht einmal auf dem Arabermarkt am nächsten Tag fand ich Passendes. Es war wie verhext. Zum Trost schnitt mir noch vor dem Abendessen eine Schweizerin die Haare, und Laure ließ mich durch Angela fragen, ob wir zusammen gehen wollten. Dabei saß sie nur ein paar Schritte entfernt und hätte mich eigentlich selbst fragen können. Aber sie zog es vor, Angela vorzuschi c ken. Leider umsonst, ich hatte schon den nächsten Tag in der Herberge gebucht und bezahlt, und die Mädchen hatten es eilig. Ihr Urlaub war bald zu Ende.
    Hier liefen echt die seltsamsten Dinge ab. Ich wurde von den Frauen vorteilhaft wahrgenommen und sehr verwöhnt, das mußte ich zugeben, aber eine Hose war wohl nicht drin. Ich ließ mir noch diesen einen Tag den Hintern vom Wind bestreichen, dann schmiß ich das leidige Kleidungsstück in den Abfalleimer. Keiner, auch nicht der Herr, sollte eine Ausrede haben, die Hose ginge etwa noch. Und ich brauche mich über diesen Seelenzustand eigentlich nicht weiter äußern, da der Russe Nikolaj Gogol in seiner berühmten Erzählung Der Mantel längst alles dazu schrieb. Demnach kann so ein starkes Begehren stracks in die Sünde führen, auch wenn einem der Wunsch schon erfüllt wurde. Der bitterarme Kleinbeamte Akakij Akakijewitsch hat sich fast aufgerieben, um den so dri n gend benötigten Wintermantel zu bekommen. Doch das vornehme Stück ging unter rätselhaften Umständen abhanden, Akakij Akakiejewitsch holte sich auf dem nach Hause Weg eine schwere Erkältung und gab bald den Löffel ab. Eine der Interpretationen lautet, der Widersacher habe ihm eingeflüstert, zu viel zu begehren und damit die peinliche Grenze zu überschreiten. Vielleicht gibt es ta t sächlich für jeden von uns eine solche Grenze der Begehrlichkeit, die zu übe r schreiten, Sünde wäre. Auch wenn es einem nicht immer einleuchten will. Es wäre doch nicht zu viel verlangt, oder? Eine Hose! Jeder hier hatte eine ordentl i che Hose an. Trotzdem tat ich dem Herrn eine Abbitte. Auch wenn es mir s o wieso nicht einfiele, wegen einer lächerlichen Hose, mit ihm zu hadern. Der Herr gibt, der Herr nimmt, er sitzt an einem langen Hebel und tut, was ihm b e liebt. Und ich hatte sonst keinen Grund, mich vernachlässigt zu fühlen. Mit wem sonst wanderte der Herr durch halb Europa und so? Ich saß im goldenen Licht auf dem feinen Rasen unter der Zeder und meditierte darüber. Schließlich, um mich etwas von der schnöden Hose abzulenken, führte mich der Herr in die Stadt zu einem Schuster und zeigte mir geniale Schuheinlagen, die mich weitg e hend von dem stechenden Schmerz in der Ferse befreiten. Ohne sie hätte ich es vermutlich nicht bis nach Santiago geschafft, insofern waren sie zehnmal besser als jede andere Hose, die an diesem Tag in Moissac getragen wurde.
    In der Abteikappelle gab es jeden Abend einen Gottesdienst. Wie meist auch sonst hier war auch die Messe von den Pilgern gut besucht. In Frankreich schien man doch überwiegend aus religiösen Gründen zu pilgern, und nicht wie etwa bei den Deutschen zum Zwecke der Selbstfindung und des alternativen Urlaubs. Die Kapelle war mit den

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