Bis ans Ende der Welt (German Edition)
froh wären, hier endlich abhauen zu können. So kam ich auch an diesem Tage zeitig weg, was wegen meines notorischen morgendlichen Zauderns der einzige Trost war. Vor dem Weggehen sah ich mich in dem Saal noch vorsicht s halber um, ob ich nichts liegen gelassen habe. Still, friedlich, menschenleer lag er da, und mir kam der Gedanke, mich noch für eine, zwei Stunden hinzulegen und den versäumten Schlaf nachzuholen. Niemand hätte mich mehr gestört. Ich hatte gestern doch so viel Zeit übrig und hätte ohne Weiteres acht Kilometer weiter nach Lanne-Soubiran marschieren können, wo ein netter, kleiner Gîte für nicht mehr als sechs Pilger genau das Gegenteil von der Herberge in Nogaro war. Das wäre wohl das Richtige gewesen, aber der Herr ist mein Hirte, und er führte mich an diesem Tag an diesen Ort, der auch seine guten Seiten hatte. I n zwischen bereitete es mir keine Probleme, Dinge und Situationen einfach zu e r tragen. Nicht etwa gewollt und aus Vernunft, sondern weil es so kam, so war. Der Herr führte mich, und ich sah die Welt wie ein Kind mit großen staunenden Augen. Hier und jetzt waren meine einzigen Sorgen.
Es war also nicht unangenehm, als Letzter das leere Haus zu verlassen, durch die menschenleere Straßen der Kleinstadt zu ziehen, um bald von der Wildnis verschluckt zu werden. Die Welt lag still, sonnig und voller aufregender Ger ü che vor mir, darauf wartend, daß ich sie betrete. Und auch der Herr freute sich seiner Schöpfung und segnete das Land. Bald aber holte ich Isabelle und Chr i stine ein, zwei nette Frauen aus Nordfrankreich, mit denen ich in Eauze das Zimmer geteilt habe. Mit von der Partie war auch Michèle , die junge, hübsche Schwarze aus der Normandie. Das schwarze Mädchen war eine richtige Schö n heit, wie man sie nicht so schnell wiedersieht. Optisch in jeder Hinsicht perfekt. Am auffälligsten war der schöne Busen. Unter dem dünnen T-Shirt lag er mehr oder weniger frei, und es verlangte schon einen gehörigen Willen von einem Mann, um nicht ständig hinzustarren. Vor allem, wenn sie sich erregte und ihre Brustwarzen spitz wurden. Was oft passierte. Sie war eine Versuchung, aber e i ne sehr nette. Leider konnte sie nicht so gut laufen, wie es bei den jungen Mä d chen häufig der Fall war. Wie zuvor Joanna, klagte auch Michèle über Gelen k schmerzen. Ich ging davon aus, die drei Frauen würden zusammengehören. Aber die zwei älteren wollten schon am nächsten Tag nach Hause fahren, wä h rend Michèle noch eine weitere Woche zu gehen beabsichtigte. Sie machte auf mich einen etwas schüchternen Eindruck, Isabelle und Christine dagegen waren lustige, lebensfrohe Personen, und wir hatten unterwegs viel zu lachen. Als wir gerade an einem Garten vorbeigingen, wo hinter der niedrigen Steinmauer eine wohlgenährte Familie an übervollem Frühstückstisch saß und sich mit Delik a tessen vollstopfte, da riefen sie spontan, auch wir hätten eine Tasse Kaffee und vielleicht noch mehr nötig. Es war ja nicht gerade die feine Schweizer Art, und entsprach so voll und ganz meinen Neigungen. So provokant gefragt, hätte man uns auch einladen können, aber die Dickhäuter riefen frech zurück, Kaffee m a che die Beine schwer, und wir hätten uns doch so zu beeilen, nach Santiago zu kommen. Was wir freilich beherzt taten, immer vorbei an Schildern mit peinl i chen Hinweisen auf Privatbesitz und freilaufende Hunde. Wobei sich hier kein Hausbesitzer mit einem kleinen Kläffer zufrieden gab. Meist waren es stattliche Bestien, denen man jederzeit Böses zutraute, auch wenn sie scheinbar friedlich irgendwo auf dem Hof in der Sonne dösten. Ich konnte mich noch gut an eine prickelnde Situation erinnern, die ich mit Sissi und Joanna erlebte. Ein Pitbull stürzte da plötzlich aus einer nur angelehnten Haustür hinaus, als die Bäuerin gerade mit dem Briefträger schwatzte, und griff uns ohne Umschweife an. Er machte einen sehr entschlossenen Eindruck, doch kapitulierte schließlich von meiner Geistesgegenwart und dem Pilgerstab vor seiner Nase. Vielleicht hat auch der Herr ein ganz wenig nachgeholfen. Der Hund ließ sich dann von der Alten nur sehr widerwillig ins Haus zerren. Er schien nicht sehr zufrieden, seine Pläne aufgeben zu müssen. Heute versuchte ein riesiger Mastiff sein Glück. Bis zu meiner Ankunft lief er relativ friedlich auf einer kleinen Graßterrasse etwa fünf Meter über der Straße hin und her. Es war ein Teil der historischen Stad t mauer, und ich konnte ihn schon vom
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