Bis ans Ende der Welt (German Edition)
freundlich - und gab mir die Adresse einer Herberge mit dem betörenden Namen L’Esprit du Chemin nur ein paar Häuser weiter, die sich dann tatsächlich als die richtige erwies. Nur hätte ich angeblich erst am nächsten Tag ankommen sollen. Und man wußte nichts von den and e ren, obwohl Thibaud für uns alle als Gruppe die Übernachtung buchte, ohne sonst jemanden als sich selbst namentlich zu nennen. Ich mußte es wissen, war ja dabei. Aber ich hielt mich nicht mit Obstruktionen und altklugen Bemerku n gen auf, damit habe ich mir im Leben schon jede Menge Nachteile eingehandelt. Die Betreiber des Gîte waren zwei humorlose Holländer, die jedes Wort auf die Goldwaage legten und wohl durchaus imstande waren, mich weiterzuschicken. Ich ging also rasch auf das zugewiesene Zimmer im ersten Stock und nahm eine opulente heiße Dusche. Die letzten zwanzig Kilometer dachte ich fast an nichts anderes. Ich lobte den Herrn aus ganzem Herzen. Nie lud er einem mehr auf, als man tragen konnte. Er buchte hier, bevor er sich in Saint-Jean-le-Vieux an der Kirche davongemacht hatte. Wie immer sorgte er für mich. Was ich schon g e wohnt sein mußte. Und doch war ich mir dessen nie ganz sicher.
Der Schlafraum, obwohl kein Einzelzimmer, war schön geräumig, dunkel get a felt, mit Kamin und einer Sitzgelegenheit in der Fensternische zur Straße. Alles machte einen sauberen, funktionierenden Eindruck. Vorläufig war ich noch a l lein hier, also kramte ich erstmals alle Sachen aus, um Inspektion zu halten. D a zu gab es nicht häufig Gelegenheit - wegen der beengten Verhältnisse in den meisten Gîtes. Konnte man nicht alles auf einmal auspacken und ausbreiten, so rutschte garantiert etwas Wichtiges hinter die Liege, was auf dem Lande für la n ge Zeit nicht wieder zu beschaffen war, und was man bitter vermißte. Also kramte man so wenig wie möglich. Und trotzdem war durch die ständige Bew e gung nie etwas dort zu finden, wo man es vermutet hätte. In so einem Rucksack konnte erstaunliche Unordnung herrschen. Das stellte ich auch jetzt fest. Die I n spektion ergab eine ausgelaufene Cremetube, die alles rund herum besudelte, und einen ziemlichen Riß im Rucksack. Noch ein bißchen, und er würde von oben bis unten reißen. Nach anfänglicher Sorge wusch ich unter reger Antei l nahme der holländischen Wirte den Rucksack im Garten hinter dem Haus und reparierte die schadhafte Stelle. Meine Sachen ließ ich inzwischen frei heru m liegen. Dann machte ich mich in die Stadt zur Besichtigung auf und stieß auch sofort auf Jean Luc und die anderen Wegebegleiter, die es sich in einem Str a ßencafé gutgehen ließen. Die Holländer hätten sie wieder ausgeladen, als sie e r fuhren, daß sie bei ihnen nicht essen wollten, erzählte Thibaud. Das war nac h vollziehbar. Bei acht Euro für die Übernachtung waren die Herbergswirte meist darauf angewiesen, mit dem Abendessen etwas dazu zu verdienen. Das war in Ordnung, nur fehlte es den Holländern vielleicht an Charme.
Zumindest unserem gemeinsamen Abendessen stand aber jetzt nichts mehr im Wege, und nachdem wir alle Verstreuten versammelt hatten, zogen wir in ein baskisches Restaurant um, wo wir für viel Geld recht schlecht aßen. Auch der Wein war nicht gerade berauschend, billiges spanisches Produkt. Hier war Frankreich zu Ende, das merkte man. Doch sollte ich nicht ungerecht sein. A n derswo wäre dieses Abendessen immer noch eine anständige Sache, aber ich war von der französischen Küche verwöhnt. Wir waren hier in einem Touriste n ort mit viel Laufkundschaft. Egal, wie ein Restaurant kochte, gut oder schlecht, anschließend fuhren die Gäste heim und kamen nie wieder. Hauptsache, es k a men jetzt welche, die man abkassieren konnte. Aber unserer Stimmung tat es keinen Abbruch, und wir beschlossen, weil es so schön war, am nächsten Tag einen neuen Versuch zu starten, dabei aber selbst auf gut französisch zu kochen. Thibaud schwärmte von einem Coq au Vin , den er problemlos in der Gemei n schaftsküche werde zubereiten können. Zum Mittagessen also, abgemacht.
Ich kehrte in meine Herberge zurück, wo es inzwischen recht voll wurde. Jörg, der deutsche Arzt, und ein kleiner Holländer waren meine nächsten Schlafg e nossen. Der Holländer, klein, wendig und ziemlich geschwätzig, machte auf mich einen etwas zwielichtigen Eindruck. Wie die zwei Berufspilger auf Herrn von Goethe. Aber der kleine Kerl schloß mich in sein großes Herz ein und e r klärte sich zu meinem Freund. So ein
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