Bis ans Ende der Welt (German Edition)
demütigste christliche Haltung an den Tag legt. Hu n dert Jahre Krieg. Wozu? Um die letzten Reste der römischen Zivilisation in den Boden zu stampfen, das dunkle Zeitalter anzuläuten, Pest und Inquisition auf die Menschheit zu hetzen? Es mag uns heute wohl seltsam wähnen, daß sich En g länder und Franzosen in Spanien die Köpfe einschlugen. Doch wohl nur deshalb so, weil wir selbst global mobil in Irak, Iran oder bei den Fellachen am Hind u kusch unsere Freiheit verteidigen können. Kein Krieg, nein, eine Aufbauhilfe! Für die Barbarei des Mittelalters und ihre ver ab scheuungs werten Akteure wie Peter den Grausamen oder Karl den Bösen haben wir nur Verachtung übrig - was sonst. Obwohl, ist es nicht irgendwie seltsam, daß Peter dem Schwarzen Prinzen zur Belohnung einen übergroßen afghanischen Rubin schenkte, der noch heute in der britischen Staatskrone steckt? La Rioja – Wein und Blut und der Camino.
Das reale Najera dagegen verschwand irgendwie aus meinem Gedächtnis. Das wahrhaft bemerkenswerte, über tausend Jahre alte Kloster Santa Maria la Real mit riesigen Mauern aus roten Steinen und mit Zinnen wie eine Burg, die rote Schlucht und der Fluß, die man passieren mußte, die sehenswerte Stadt mit Hö h lenhäusern im roten Fels, wo sich die westgotische Bevölkerung vor den mar o dierenden Mauren verschanzte. Die kann ich doch nie und nimmer übersehen haben? Statt dessen war ich urplötzlich in Azofra , dem Tagesziel, ohne richtig zu wissen wie. In Erinnerung blieben mir aber ganz sinnlos die vielen Pilger auf der Strecke unmittelbar davor, auch ungewöhnlich viele Menschen im Ort, das nicht nur über Kneipen und Geschäfte verfügte, sondern erstaunlicherweise auch ein Luxushotel, ein umgebautes ehemaliges Kloster oder Schloß, wo eine Nacht zwei bis dreihundert Euro kostete. Für so eine Luxusherberge bot der Ort e r staunlich wenig. Es war erst kurz nach Mittag und eigentlich noch zu früh, um für die Nacht einzukehren. Aber ich hatte die Nase voll von Laufen und blieb. Die Herberge von Azofra stellte sich als eine riesige, perfekt durchorganisierte Angelegenheit heraus, mit großen Baderäumen und Boxen für jeweils zwei Pe r sonen, die mit einer kleinen Schwingtür, wie man sie von den Bars in den W e sternfilmen kennt, „verschlossen“ wurden. Den großen Aufenthaltsraum mit e i ner Küche fand ich zwar nicht sehr schön, doch sehr praktisch. Ich hatte den halben Tag frei, um zu erledigen, was es zu erledigen gab, dann lungerte ich im Aufenthaltsraum herum und lernte Leute kennen. Da war eine Kroatin mit ihrem französischen Freund, einem Theologen. Ein strenger sehr französischer Kath o lik, wie es mir schien, da wunderte ich mich fast über die Freundin. Immerhin konnte ich mich gleich in zwei Sprachen üben, und wir verbrachten gute Zeit bei einem interessanten Gespräch über Glauben und Religion und tranken dabei zwei Flaschen mittelmäßigen lokalen Weines. Ich habe eine hohe Meinung von den Weinen des Rioja, und war etwas enttäuscht, aber vielleicht hat uns der Wirt nur bemogelt. Dann lernte ich ein ostdeutsches Ehepaar kennen, das angeblich aus dem weit entfernten Erfurt zu Fuß unterwegs war. Da aber stimmte was nicht. Ich glaube, es war ein wenig geschwindelt. Für so eine Tour waren sie unpraktisch gekleidet, trugen eine Art Farmerkleidung aus schwerer Baumwolle, breite Ledergürtel und einen Haufen Gepäck. Zu gut, zu sauber für jemanden, der angeblich seit Monaten durch Schlamm und Staub des Camino unterwegs war. Sonst trugen alle nur moderne Hightechmaterialien - wegen des Gewichts und der besseren Funktionalität. Auch war das Paar nicht so fertig abgelatscht und abgewirtschaftet wie wir alle. Sogar die scheinbar unzerstörbaren Les Fous sahen inzwischen etwas blaß um die Kiemen aus. Mir aber erzählten die Erfu r ter, etwa um dieselbe Zeit wie ich gestartet zu haben und eine eigentlich viel längere Strecke über Nordfrankreich und Paris gegangen zu sein, was eine u n glaubliche Laufleistung wäre, die ich mir selbst in der angegebenen Zeit nicht zutrauen würde. Als ich mich darüber wunderte, meinten sie, ein Stückchen mit dem Bus gefahren zu sein, um für ein paar Tage Freunde zu besuchen, es sei e i gentlich mehr ein billiger Urlaub. Billiger Urlaub? Weder das eine, noch das a n dere – aus meiner Sicht. Doch die Ossis haben halt etwas Praktisches an sich. Dann aber hörte ich sie am Nebentisch erzählen, wie sie feierlich in einer Pr o zession von der
Weitere Kostenlose Bücher