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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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evangelischen Gemeinde daheim auf der ersten Etappe hinau s begleitet wurden. Das interessierte mich, denn mich würde keine Maus feierlich hinausbegleiten, geschweige schon meine eigene Kirchengemeinde. Aber sie wollten über Religiöses nicht reden und gingen mir – vielleicht deswegen - dann aus dem Weg. So ein Schmarren, als ob ich sie was Unanständiges gefragt hätte. Ich traf sie nie wieder und vermißte sie nicht.
Redecilla , km 2281
    So eine Schlafbox wie in der Herberge von Azofra mag einem Unbeteiligten vielleicht lächerlich vorkommen. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mal vor vielen Jahren über ein Schlafboxhotel in Japan gelesen habe, wie ich mich da recht überheblich gewundert habe. Doch in der Not frißt der Teufel Fliegen, und der Pilger hat sich mit Widrigkeiten abzufinden. Unter diesem Aspekt war das hier garantiert nicht das Übelste. Die Holzboxen boten Platz für zwei Mann und ihr leichtes Gepäck, was fast schon eine Art Privatsphäre bedeutete. Es gab tatsächlich eine Art Regal, wo man Sachen hineinlegen konnte. Eine Gepäcka b lage, egal wie klein und unbedeutend, war in den spanischen Alberque s sehr, sehr selten, und ich hatte deshalb eine richtige Scheu davor, tatsächlich etwas hineinzulegen. Wichtiger aber, man wurde nicht von wandernden Nichtschläfern geweckt, und aggressives Schnarchen kam nur in moderaten Tönen durch. Und was das Beste war, in das moderne, weißgekachelte Bad paßte mindestens die Hälfte der Nachtgäste auf einmal. Das hieß, sich am Morgen rasieren zu dürfen, ohne andere warten zu lassen, was zumindest für mich, der das Alleinsein g e wöhnt ist, stets Streß bedeutete.
    Ich bin morgens halt nicht sehr kommunikativ, bin ungeduldig und bei Störung gar reizbar. Vor allem die ununterbrochene Flut an Belanglosigkeiten aus den Reihen von Spaniern, Italienern und Portugiesen setzte mir sehr zu. Was immer diese an sich sehr nette Menschen taten, ob unter der Dusche, auf der Toilette oder beim Anziehen und Packen, sie mußten es lautstark und vollmündig mit a l len anderen teilen. Dazu kam das hysterische Lachen ihrer Weiber. Würde eine Braut dem Bräutigam je so zulachen, er würde sich gewiß besinnen und sich den Ausführungen des heiligen Paulus über die Ehelosigkeit anschließen. Es war wie die Brandung oder die Stadtautobahn, ein ständiger, an- und abschwellender G e räuschpegel. Da konnte man glatt Ausschlag davon kriegen. Ganz anders dag e gen die Les Fous. Die hatten sich immer was zu erzählen, aber man bekam d a von nie etwas mit, auch wenn man direkt daneben saß. An diesem Tag mußte ich mich von ihnen verabschieden. Sie hatten endgültig genug von der Wasse r suppe und beschlossen heimzufahren. Ich holte sie noch recht früh am Morgen ein. Und während ich noch eine ganze Weile hinter ihnen lief, sah ich sie in di e ses agitierte, stille, irgendwie intime Gespräch vertieft vor mir hin trotten, immer wieder anhaltend, um einen offenbar wichtigen Punkt nicht einfach so im Vo r beigehen, sondern in der Tat standhaft zu vertreten. Wir gingen noch ein paar Kilometer zusammen, erst durch die leeren Felder, dann durch eine nicht minder verlassene luxuriöse Siedlung, bis wir uns endgültig trennten.
    In so eine adrette Siedlung mit Golfplatz, Tennisplatz und Schwimmbad zw i schen den hübschen Familienhäusern hätte ich glatt einziehen können. Es war seltsam, sie leer stehen zu sehen. Doch war das spanische Bauwunder, von dem das Land die letzten zehn, fünfzehn Jahre lebte, hier zu Ende, und ein neues Haus war nun fast unverkäuflich. Also stand alles leer, eine Geisterstadt, die man allerdings sorgfältig pflegte, denn alles war blitzsauber und ohne die g e ringste Beschädigung. Als ob die Menschen gerade alle weggegangen wären, bis vor dem Golfplatz plötzlich eine auffällige Anhäufung deutscher Luxuskarossen vom Gegenteil zeugte. Geld war noch vorhanden, und vielleicht hatte diese schöne Siedlung doch noch eine Zukunft.
    Hier endete Rioja und begann Kastilien. Anstelle der rotbraunen Weinberge k a men silberne Weizenfelder, die sich schier endlos über die flachen Hügel hinz o gen. Kein Baum, keine Bank, kein Nichts, nur der Weg, die Hügel und das We i zenfeld, das alles über sieben-, achthundert Meter über dem Meer gelegen. Da r über hing der flache hellblaue Himmel wie ein riesiges Vergißmeinnicht. Eine kontemplative Landschaft. Die Ernte war gerade vorbei, der Sommer ging zur Neige. Die UV-Strahlung war trotzdem enorm. In

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