Bis ans Ende der Welt (German Edition)
, irgendwann bis nach Santiago , irgen d wann bis ans Ende des Daseins. Man braucht nur etwas Geduld und Demut d a zu. Man braucht die Langsamkeit. Die Umstände können so oder so sein, schlecht oder besser. Der Herr gibt, der Herr nimmt, manchmal spendet er Trost, manchmal hat er woanders bessere Händel. Da fragt man sich, wozu er uns g e schaffen hat, wenn er sich scheinbar so wenig um uns kümmert. Leichter ist es für den, der blind an ihn glaubt, auf ihn baut, sich auf ihn verläßt. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. [67] Doch so oder so, das Ziel tragen wir von Anfang an in uns, und wir können es gar nicht verfehlen. So steckt der Pfeil schon im Ziel, während der Samurai erst den Langbogen spannt. Ich wähnte mich also schon frisch geduscht, satt und ruhend. Doch die Erlösung ließ auf sich noch warten, was mir ein Affront war, da ich heute bereits zwe i undvierzig Kilometer absolvierte, an die fünf Liter Flüssigkeit durch Schwitzen verlor, vom Kopf bis Fuß wund und staubig war. Nun mußte ich zu allem Übe r fluß auf und ab durch die Altstadt irren und schmucke Passanten nach der He r berge fragen. Interessanterweise wußte jeder von ihnen, wo sie sein sollte, kon n te darüber hinaus noch viele interessante Informationen liefern, störte sich übe r haupt nicht an meiner heruntergelatschten Gestalt und hegte keine Zweifel an meinem perfekten Spanisch. Man laberte mich mit allem Möglichen voll, erzäh l te Geschichten von der kranken Oma und dem letzten Urlaub in Schweden, b e schrieb im Detail alle Sehenswürdigkeiten, die auf mich zwei Straßen weiter warten würden, anstelle mit der ausgestreckten Hand mir einfach den Weg zu weisen. So fand ich alle Herbergen, die im Führer standen, und alle waren sie geschlossen. Wie leicht hätte ich da – wie üblich zu meinem Unrecht – doch u n geduldig werden können. Hätte ich nur nicht gewußt, ich müsse nur warten, da werde die Herberge allein zu mir kommen. Sie tat es in Gestalt eines sterilen, ultramodernen Neubaus, wo Hunderte Pilger wie in einem riesigen Ameisenha u fen auf sechs Stockwerken hausten. Es war die Megapilgerherberge schlechthin, und mein Kinnladen wollte gar nicht so schnell wieder hochkommen, wie es sich eigentlich gehörte.
In der futuristisch anmutenden Rezeption herrschte höchste Betriebsamkeit. A l les war nagelneu, vollklimatisiert und steril sauber. Hier konnte man sich nicht wie sonst einfach das Bett suchen, man bekam es nach Stockwerk und Saal z u geteilt. Der adrette junge Helfer hinter dem Computer wies mein Ansinnen, hier zwei Nächte zur Erholung und Blasenbehandlung zu bleiben, strikt zurück, o b wohl der Laden nicht einmal halb voll war. Das sei grundsätzlich verboten. D a bei sah er mich wie ein Chefrezeptzionist eines fünf Sterne Hotels streng und kritisch an. Ich hätte mit ihm streiten mögen, doch auf den prallen Blasen stand sich schlecht. Lieber fuhr ich in einem der drei Lifte in das mir zugeteilte Stockwerk und kümmerte mich um sie. Ich duschte, wusch meine Sachen, brachte sie mit dem Aufzug in den Patio zum Trocknen. Wieder auf dem Weg nach oben, stieg eine Gruppe spanischer Radfahrern in rotgelben Gummihosen und ausgelassener Stimmung zu. Erst kamen ihre zahlreichen Plastikkoffer, dann drängten sie sich selbst hinein. Dabei landete der schwerste von ihnen mit seinen patentierten Plastikschuhen auf meinen Fuß. Der Man wog - wie diese Menschensorte eigentlich immer - mindestens hundertzwanzig Kilo, und ich sah hier schon meine Pilgerschaft zu Ende. Erst als ich etwa zwei Minuten wie am Spieß schrie, merkte er, was los war, und entschuldigte sich jovial. Ich tat ihm nicht den Gefallen, seine Entschuldigung anzunehmen, und schleppte mich schwer in den Schlafsaal, um dort die Wunden zu lecken. Ich war nicht glüc k lich. Als ich versuchte aufs Bett zu klettern, fiel dann vom Nachbarbett eine vo l le Wasserflasche hinunter und traf mit der Kante mein Fußgelenk. Eine Dame aus Frankreich ließ sie achtlos auf ihrem Kopfkissen liegen, so daß die geringste Berührung reichte, um sie zum Bettrand rollen und runterfallen zu lassen. Ein Kilo metallverpackten Wassers aus fast zwei Meter Höhe tat dem Gelenk nicht gut. Es schwoll rasch an und färbte sich dunkelrot bis blau. Schlimmer noch, der Fuß wurde sofort heiß und gefühllos. Ich schimpfte beherzt, was ein junger l i tauischer Pilger sehr lustig fand und vor den Genossen mir nachäffte. Diese w a ren dann gleich bereit, auf
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