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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Ríopico trug, sollte es auch eine Herberge geben. Inzwischen wurde es immer wärmer und schwüler. Diese Klimaschwankungen waren ja direkt absurd. Als ich unten im Dorf ankam, fand ich dort alte Bekannte, die Nepal-Amerikaner, vor der ve r sperrt en Herberge sinnlos herumhängen. Es war übrigens das letzte Mal, da ich sie traf. Auch sie hatten die Nase gestrichen voll. Empört wiesen sie auf ein handgemaltes Schild, das verkündete, die Herberge sei vorübergehend geschlo s sen. Aus Gründen, die es sich nicht lohnte zu eruieren. Doch fiel der Verdacht fast zwangsläufig auf die Dorfpension ein Stück weiter, die auf diese Weise vie l leicht Gäste anlocken wollte. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, daß viele Touristen in dieses verlassene Dorf kommen, um siebzig Euro in einer Casa Rural für die Nacht zu zahlen, wenn sie dasselbe im touristisch attraktiven Burgos ebenfalls tun können. Es kamen also nur fußlahme erschöpfte Pilger als Kunden in Frage, die sonst keine andere Übernachtungs möglichkeit fanden. Zwangsläufig landeten auch wir da, aber es herrschte noch die heilige Siesta, und kein Einheimischer war bereit, zu dieser unchristlichen Stunde gleich we l che Geschäfte abzuschließen. Es blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Spanier das Schlafen, Saufen, Kartenspielen über hatten und wieder tagaktiv wurden. Oder weiterzumarschieren. Die Amis entschlossen sich für das Erste, ich für das Zweite. Es ersparte mir größere Geldausgaben, aber glücklicher war ich deshalb nicht. Es bedeutete nämlich, weitere zwanzig Kilometer bei rasch ansteigender schwüler Hitze auf schwellenden Blasen zu gehen.
    Es ist fast zwangsläufig so, wenn eine Sache schiefgeht, so tut es ihr die nächste gleich. Es war noch früh am Nachmittag und abgesehen von der Hitze und der Anstrengung, hätte der Weg nach Burgos gar nicht so schlimm werden müssen. Bald sollte ich auf das Flüßchen Arlanzón stoßen, dem man, kühl und von Bä u men beschattet, bis in die Stadtmitte nur zu folgen hat. Der Führer war sich darin ganz sicher. Und es hätte auch geklappt, hätte nicht jemand den Einfall gehabt, einen Flughafen auf den Camino zu setzen. Dabei ist der Jakobsweg europaweit denkmalgeschützt, aber in Spanien baut man con gusto drauf, ohne sich auch noch die Mühe zu machen, neue Schilder aufzustellen. Der Bauboom boomt, und für jeden Ziegelstein schießt Brüssel auch noch was dazu. Es heißt, die I n frastruktur zu fördern. Hinter dem Flughafen, wo die Vorstadt begann, standen straßenweiße Häuser und Wohnungen leer. Häßliche, unverkäufliche Hühne r ställe. Laut Reklamenschild konnte man hier ein Appartement oder ein Haus ganz ohne Kapital, nur gegen Zahlung von dreitausend Euro Vertreterprovision erwerben. Fast käme ich in Wanken. Jedenfalls hatte ich vor dem Flughafenzaun nur die Möglichkeit links oder rechts zu gehen. Links ruhten in einem fünfzehn Meter tiefen Loch die Reste einer Baustelle, rechts führte immerhin ein befesti g ter Weg entlang. Und ich war bereits so meschugge, rechts statt links zu gehen, obwohl diese kleine Denkaufgabe ganz leicht zu lösen gewesen wäre. Folglich landete ich statt im schattigen, kühlen Flußtal auf der Einfallstraße der Ind u strievorstadt, wo alles neu und sauber war, es jedoch keine Bäume, keinen Schatten, keinen kühlenden Windhauch gab, es sei denn, man ließ sich von den Abgasen der vielen Autos aromatisch warm berieseln. Die drei Spanier, die ich unterwegs tatsächlich zu Fuß traf - und natürlich auch grüßte, wie ich es immer und überall auf dem Camino tat - warteten hier nur auf den Bus oder andere Mi t fahrgelegenheit. Der Rest fuhr in ihren neuen, klimatisierten Kutschen herum und klopfte sich hinter meinem Rücken wohl auf die Stirn. Ich aber hielt durch, indem ich dem kühlen Flußweg nachtrauerte und mich damit tröstete, hier käme ich immerhin früher oder später an einem Supermarkt vorbei und könnte Fei n schmeckersachen bunkern. So wäre es bei uns, an jeder befahrenen Ecke ein A l di-Laden, hier aber fand ich nichts. Vielleicht lebten die Menschen hier einfach nur von der dicken Luft.
    Irgendwann wurden die Häuser höher und dichter, dann kam die Altstadt mit e i ner Kette glänzender Jakobsmuscheln im Steinpflaster. Vermutlich nicht ganz aus purem Gold, doch ein Zuckerl für den Pilger. So lange zu Fuß unterwegs, da wird man beständig. Egal wann, irgendwann kommt man immer ans Ziel. I r gendwann in die Altstadt von Burgos

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