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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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den Rücken zu fallen und sich totzulachen. Ich hatte nun endgültig die Schnauze voll, von Spanien, dem ganzen Wanderzirkus und den mitspielenden Deppen darin. Also fragte ich den jungen Mann ernsthaft, ob ich ihm erst die Nase und dann das Schienbein brechen darf, das wäre mein Preis für die lustige Vorstellung. Die Jungs kamen rasch zur Besinnung und z o gen ab. Dafür kamen die Französinnen zurück, die ja nicht weit waren und bei dem Tumult den Braten irgendwie sofort rochen. Daß ich hier wegen ihrer Nachlässigkeit nach zweieinhalbtausend Kilometern vermutlich Schluß machen muß, tat ihnen offenbar wirklich leid. Sie gingen in die Rezeption und brachten mir einen großen Beutel Eiswürfel zum Kühlen. Eine ältere Deutsche teilte mit mir ihr mageres Abendessen, da ich überhaupt nichts mehr hatte und wegen des Beins auch nicht einkaufen gehen konnte. Ruhe kehrte ein, die meisten wollten sich das Nachtleben von Burgos nicht entgehen lassen. Ich las im Kriegstag e buch von Saint-Exupéry, solange ich es bei meiner Müdigkeit nur aushielt, um möglichst lange das Gelenk zu kühlen. Es war ein miserabler Tag, und ich war nicht böse, als er vorbei war.
Hontanas, km 2381
    In dieser Nacht wurde ich weder von bösen Schnarchern, noch von Hitze und Wanzen geplagt. Der Raum war perfekt klimatisiert, und vielleicht deshalb schliefen alle relativ ruhig. Fast alle. Es gab da einen, der vielleicht lungenkrank war und dem die kühle Luft nicht guttat. Sein Husten hörte sich wie Kettenra s seln an, und wurde in den Morgenstunden immer schlimmer. Schließlich trieb es mich noch vor dem Weckruf aus dem Bett. Ich brauchte aber nicht lange zu wa r ten. Punkt 6.15 Uhr, draußen war es noch stockdunkel, gingen heftig alle Lichter an, und ein martialisches Läuten schmiß die Pilger aus den Betten. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon geduscht und rasiert und stand den anderen nicht im Weg. Wie üblich eiferte man um die Wette, wer als erster auf die Piste kommt. Ich aber war völlig gelassen, ja richtig glücklich, denn mein Fuß war wieder heil, keine Spur von einer Schwellung, als ob es die gestrigen Kalamitäten gar nicht gegeben hätte. Vielleicht wollte mich der Herr nur prüfen. So saß ich nur da, lächelte selig und war dankbar. Die ältere Deutsche, die mit gestern schon das Abendessen spendete, gab mir zum Frühstück auch noch einen großen saft i gen Pfirsich und ein paar Teebeutel. Sonst hätte ich mit Nullkommanichts au s kommen müssen. Es war nicht gerade geteilt von ihr im eigentlichen Sinne des Wortes, denn für sich produzierte die Dame ein recht aufwendiges Frühstück mit Joghurt und Müsli und sonstwas Komplizierten, das sie am eigenen Tisch sep a rat verzehrte. Aber ich war nichtsdestotrotz dankbar. Ihr, das gewiß, doch auch dem Herrn, weil er sie mit dem, was ich gerade benötigte, zu mir schickte. Einen großen saftigen Pfirsich, nur für mich allein, wann hatte ich das letzte Mal e i nen? Aber zu diesem Zeitpunkt überraschte es mich überhaupt nicht, auch wenn ich ausgerechnet an einen Pfirsich gar nicht zu denken gewagt hätte. In zwei Stunden hätte ich welche irgendwo kaufen können, doch jetzt, jetzt waren die Umstände nicht dafür. Trotzdem bekam ich einen, zur richtigen Zeit, am rechten Platz, wie üblich. Der gute Hirte . Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. [68] Ich wußte, daß ich mich auf ihn verlassen kann. Nicht nur, weil es so in der Bibel steht, und ein guter Christ daran glauben sollte. Ich habe ja meine eigene Erfahrung machen dürfen. Und trotzdem wurde ich immer schwach und mürrisch, wenn der Magen knurrte und die Ferse poc h te. Diesmal aber wurde ich trotz allem nicht ungeduldig, nicht kleinmütig, war mir von Anfang an fröhlich seines Beistandes gewiß. So war ich auch so etwas wie stolz auf mich, es endlich einmal vollbracht zu haben, weil ich in etwa nur zwei Menschen kenne, die so etwas glaubwürdig abziehen können. Nur zwei! Lächelnd saß ich da, bis alle weg waren. Dann ging auch ich.
    Für all die vielen Sehenswürdigkeiten von Burgos , die ich wohl nie besichtigen werde, stand ich fünf Minuten an der Treppe zum romantischen Platz vor der Kathedrale, dann versuchte ich es drinnen. Ein Gitter versperrte zwar den Weg, jedoch nicht die Sicht, und zum Beten gab es einen separaten Raum, der sogar zu dieser Morgenstunde von einigen älteren Frauen

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