Bis ans Ende der Welt (German Edition)
läßt modern, globalisiert und vor allem billig in China arbeiten und gibt dann der Sache den guten Namen. Hauptsache, die Kasse stimmt, andere Werte scheinen vergessen. Eine Weile saß ich am Wegrand mit dem Jungen aus Dü s seldorf, der ein anderes Modell desselben Herstellers trug, doch mit gleicher Wirkung. Wir beschlossen, aus Rache unser Schuhzeug nach der Pilgerreise mit dem entsprechenden Dankesbrief an die Firma zurückzugeben. Hier verlor Maindl gleich zwei Stammkunden für immer.
Das aber war mir kein Trost. Eher spekulierte ich auf einen freien Erholungstag in Burgos . Aber bis dahin waren es noch fast fünfzig Kilometer. Ich litt, daher kam mir die ganze Gegend nicht so anziehend vor, wie es die Montes de Oca verdienen würden. Die Paßhöhe hinter Villafranca erreicht 1150 Meter. Endlich mal wieder Bäume sehen! Den Ausblick fand ich deshalb nicht so schlecht. Die Ortschaften aber wirkten armselig. Irgendwie verfiel hier alles. Oder es sah so aus wie vor vierzig Jahren auch schon. Manche Häuser, auch eine historische Kirche darunter, bestanden nur noch aus Fassaden. Innen war alles eingestürzt oder nur provisorisch mit Balken gestützt. So lange wie die prähistorischen Wohnhöhlen in Atapuerca würden sie wohl nicht halten. Dort fand man ach t hunderttausend Jahre alte Siedlungsreste. Und weil Spanien von Europa enorm profitierte, und der Namen anfangs noch gut zog, nannte man es hier großkotzig die „Heimat der ersten Europäer“. Ein solcher paläontologische Europäer winkte mir – keck und selbstbewußt, als ob er in den Stadtrat gewählt werden möchte - vom Begrüßungsschild am Ortsrand zu. Es ließ mich kalt. Sollten es hier gar die ersten Vereinigten Staaten von Europa gewesen sein, ich hatte keine Lust auf Besichtigungen. Erst gar nicht, wenn es mit Umwegen verbunden war. Der Weg ist das Ziel! „Der Camino und Santiago de Compostela , sonst nichts!“ stand i r gendwo an die Wand geschrieben. Sehr lobenswert und motivierend, doch vie l leicht trug der Autor die gleichen Stiefel wie ich und wollte sich nur Luft ve r schaffen. Ein Schuh wie der meinige war nämlich daneben ans Wegschild gen a gelt.
Vor Burgos wollte ich eigentlich noch einmal irgendwo übernachten. Je näher an der Stadt, desto besser. Da käme ich nämlich während der kühlen Vormi t tagsstunden hinein, hätte Zeit zur Stadtbesichtigung und für dringende Einkäufe, könnte mich dann frei entscheiden, dort zu übernachten oder weiterzugehen, je nach Lust und Laune. In Atapuerca hätte es eine Möglichkeit gegeben, die He r berge war ein modernes Fertighaus, angeblich auch behindertengerecht. Das war mir gleich. Alles nur modischer Schnickschnack. Was nutzte denn dem Behi n derten, sofern er sich auf dem Camino nach Santiago überhaupt aufmachen konnte, eine einzige behindertengerechte Herberge auf Hunderten von Kilom e tern? Nichts. Außerdem hatte sie noch nicht auf. Es wurde kalt und regnerisch, und ich rettete mich ins Touristenzentrum, wo ich eine geschlagene Stunde am Computer verbrachte, um per Internet fällige Bankgeschäfte zu tätigen, und äh n lichen Unsinn trieb. Es sei meine Mittagspause, und in meiner Mittagspause könne ich tun, was ich für richtig halte, verteidigte ich mich dafür vor dem Herrn. Nicht schlimm, doch naiv, bedürftig und nicht demütig, fand er. Ich traf ihn nämlich hier nach langer Zeit, aber er gesellte sich nicht wie sonst zu mir, sondern befaßte sich statt dessen mit irgendwelchen steinernen Kreisen, die hier zwischen verrostetem Stacheldraht und dem Gipfelkreuz lagen und deren Sinn ich nicht begriff. Der Ort war durch und durch historisch, zog Ereignisse ger a dezu an. Im Jahre 1054 fand hier die bittere Schlacht der königlichen Brüder García von Navarra und Fernando I. von Kastilien statt, in welcher der navarr e sische König aus der Hand des Bruders den Tod empfing. Es gibt halt Plätze, da passiert immerfort etwas Grausiges, was nur der Mensch dem Menschen antun kann. Der Tod war überall. Ich verbrachte einige Zeit am Gipfelkreuz, sah dabei hinunter nach Burgos und hielt etwas Fürsprache mit dem Herrn. Eigentlich war ich froh, nicht alles verstehen zu müssen. Ein andersmal vielleicht, nicht heute. Es war ein beunruhigender Ort, hier wollte ich nicht bleiben. Lieber bestieg ich wieder den Camino, der nun endgültig die Berge von Oca verließ und steil ins Tal von Arlanzón und nach Burgos führte.
In der nächsten Ortschaft, die den originellen Namen Gardeňuela de
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