Bis ans Ende der Welt (German Edition)
gänge, die gestern frisch per Flugzeug aus Deutschland kamen. Nach einem g u ten Essen und einer Flasche Wein nur für mich dazu, wurde ich wieder schwat z haft. Einem erzählte ich von meinem Mineralienmangel und den daraus resulti e renden Krämpfen, er wies mich sogleich ab, das müsse wohl etwas anderes sein. Dabei rückte er ein wenig von mir ab, als ob ich etwas Ansteckendes hätte. Da wollte ich wissen, ob er Arzt sei. Er verneinte und verschwand. Ein anderer rümpfte die Nase über meine Vitamintabletten, er esse lieber Obst. Als ob es hier welches gäbe. Ein dritter wunderte sich, warum es schwierig sein sollte, e i ne Drogerie oder Apotheke zu finden. Auf dem Weg mit dem Taxi vom Flugh a fen habe er viele gesehen. Das hätte ich auch tun sollen. So eine Reise brauche ja gute Vorbereitung. Diese Leute wußten einfach alles, und was sie nicht wu ß ten, wollten sie auch nicht hören. Der Düsseldorfer Portugiese fand hier endlich gleichwertige Partner, und am nächsten Morgen beeilte er sich, noch vor mir wegzukommen. Er gesellte sich auch nie mehr zu mir, wenn wir uns unterwegs trafen, was noch einige Male passierte. Trost fand ich bei einer zierlichen jungen Japanerin, die ich etwas unglücklich kennenlernte, als ich mich zum Schuha n ziehen auf ihr Bett setzte. Mein Bett lag oben, und es gab sonst keinerlei Stühle oder Bänke. Sie aber sah darin eine Verletzung ihrer Privatsphäre und sagte es mir bestimmt, wenn auch höflich. Sie war eine tapfere, kluge Person. Ich lud sie zu einem Glas Wein ein und lernte von ihr. Was die Deutschen wiederum „k o misch“ fanden. Bei denen war ich nun als Spaßverderber und seltsamer Kerl endgültig durch. Wenn ich an einer Bar vorbei kam, wo sie gerade saßen, luden sie mich nicht fröhlich zum Verbleib ein, wie sie es sonst bei Bekannten taten, sondern sahen nur mürrisch zu, wie ich um die Ecke verschwand. Das aber sol l te mir noch viel Zeit sparen, denn die Bars wurden, je näher man an Santiago herankam, immer zahlreicher und voller. Und so auch die Taxis.
Boadilla del Camino, km 2409
Hinter Burgos erstreckt sich Hunderte Kilometer weit ein flaches, um die ach t hundert Meter hochgelegenes Agrarland, das Tierras de Campos goticos g e nannt wird. Das Land der Westgoten. Sie entrissen es im fünften Jahrhundert den Römern und verloren es im achten Jahrhundert an die Mauren. Noch in Frankreich hörte ich von dieser Strecke erzählen. Très dure , sehr hart solle sie sein. Und die Eintönigkeit und Mühsal war jetzt nach der Kornernte noch mehr zu spüren, als es vielleicht im grünen Frühjahr noch der Fall gewesen wäre. Das Land schien völlig verarmt, wenig besiedelt, in den Dörfern fielen die Häuser auseinander. Als ob dieses ganze Getreide nichts wert wäre. Grau und verstaubt zog sich die Hochebene dahin, auf den Tafelbergen am Rand drehten Win d kraftwerke müde die Arme. Zu dieser Jahreszeit gab es kein Grün mehr, und wenn überhaupt, dann nur als stachliges, schmutziges Gestrüpp. Wollte man ausruhen, gab es keine Möglichkeit, sich zu setzen - keine Bank, keinen Bau m stamm, keinen Steinbrocken. Ein offenbar perverser Bürokrat ließ runde Kiesel auf den Weg streuen. Auf ihnen hatte man zu balancieren. Ich konnte mich nicht richtig abstoßen, rutschte ständig aus, kämpfte bald wieder mit Blasen und G e lenkschmerzen, der Rucksack riß an den Schultern. Ich kam mir vor wie ein Ochse im Joch, wenn ich so abgestumpft durch die öde Landschaft zog. Opt i sche Abwechslung boten die riesigen Strohblöcke, die am Wegrand des A b transports harrten, und die überall mit ihren Hunden streunenden und ballernden Jäger. Beeindruckende Weite und Öde, der Himmel blaß und flach. Mit Wasser galt es, sparsam umzugehen. Außerhalb der spärlichen Ortschaften gab es nä m lich keines. Und die Sonne brannte unbarmherzig hinunter. Dabei war es in der Frühe und am Vormittag noch ziemlich kühl, ohne Pullover kam man nicht aus. Doch nach Mittag fegten Hitzewellen über das Land, daß es nur so pfiff. Es gab Fata Morgana wie in den Stein- und Staubwüsten Nordafrikas, und die heiße Luft glitzerte fröhlich über dem Weg wie reines Wasser. Helmut Domke, der das Land in den siebziger Jahren bereiste, schrieb: Wir hatten diese Landschaft in den unerhörten Regenstürzen des Novembers kennengelernt, wenn die Leh m mauern ohnmächtiger Dörfer zerschmelzen und sich die Wege in Wildbäche verwandeln. Aber der sommerliche Tod, dieser Wüstentod, Lichttod, Hitzetod,
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