Bis ans Ende der Welt (German Edition)
nicht gehen. Aber der Abt gab sein Siegel für ein Empfehlungsschreiben, gab den Segen. Gunther und Benedikt machten später dann in der Sakristei noch eine richtige Sache daraus, die den Kreuzzügen wohl Ehre gemacht hätte. Aus irgendeinem Grund bekam ich dann noch eine gelbe Limoflasche mit Weihwa s ser, vom Papst persönlich gesegnet, mit auf den Weg. Machte ein Pfund mehr im Rucksack, und keiner wußte so genau zu sagen, wozu das gut sein sollte. Man wollte mir wohl etwas Gutes mit auf den Weg geben und kam auf Anhieb auf nichts Besseres. So wanderte es den ganzen Weg mit und zumindest etwas davon auch noch zurück, was es wohl zu einem wirklich besonderen Weihwa s ser macht. Und seltsamerweise wurde es in den vier Sommermonaten nicht faul. Nur mich machte es manchmal verlegen zu erklären, wenn ich unterwegs g e fragt wurde, was in dieser abgewetzten Plastikflasche, aus der ich nie trinke, denn Besonderes drin sei. Wer nimmt denn heute schon sein eigenes Weihwa s ser mit auf Reisen?
Das hier war nun der endgültige Aufbruch. Drei Tage wanderte ich zur Probe vor. Das sollte den Beweis liefern, daß ich auch über längere Strecken laufen kann. Immerhin endete der erste Versuch mit Fiasko. Da der Fuß in der langen Zeit der Untätigkeit den natürlichen Bewegungsablauf verlor und ihn erst neu erlernen mußte, schlich sich später beim Training ein Abrollfehler ein, der zur Überbelastung und einem Totalausfall führte. Die Asphaltwege der Hallertau sind besser für die Radler geeignet. Hallertau ist der Hopfen, Wandern hat hier wohl keine Tradition. Der in Regensburg an der Jakobskirche angezeigte Weg folgt der Donau, ich aber wollte über München gehen, weil es ab München Wanderführer gibt. Und das Kloster lag auf dem Weg. Dort konnte ich frei übernachten. Und jede freie Übernachtung tat meinen schwachen Finanzen gut. Also, auf in die Hallertau!
Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, wie man die Reise möglichst kostenneutral, zum gleichen Preis wie das Leben zu Hause, durchführen könnte. Draußen zu übernachten, unterwegs selber zu kochen, möglich wäre es, und auf dem Weg habe ich den einen oder anderen getroffen, die es so praktizierten. Aber es bedeutete auch, zwanzig Kilo Ausrüstung mit sich zu führen. Zu viel für dreitausend Kilometer und vier Monate ohne Ruhepause. Zumindest für mich. Ob die anderen ihr Ziel erreichten, weiß ich nicht zu sagen. Man bleibt nicht lange beieinander, um das zu erfahren. Der Camino zieht den Steppenwolf an, auch hat ein jeder ein anderes Schrittempo. Als ich mit blutenden Herzen den Obolus für Übernachtung und Essen zu akzeptieren bereit war, lösten sich die meisten organisatorischen Probleme von allein, und der Rucksack schrumpfte auf die Hälfte.
Nun war ich endlich auf dem Weg. Es war warm und sonnig, etwas zu schwül. Gutes Segelwetter. Bald schnitten die Riemen in die Schultern, und am Körper fand sich keine trockene Stelle. Die Sohlen brannten. Sie brannten nicht nur im Gehen, sondern noch später in der Nacht. Noch später fühlte sich es an, als ob man dicke Socken tragen würde und Watte zwischen den Zehen hätte. Sogar jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, hält dieses Taubheitsgefühl noch an. An der Isar schnitt ich mir den Pilgerstab von einer jungen Eiche ab. Ein Bäumchen, lang und dünn, am oberen Ende machte es einen druidenartigen Kringel, als ob ihm beim Wachsen vor seiner Zukunft schwindlig geworden wäre. Ein richtiger Bischofsstab. Den und die Jakobsmuschel soll der Pilger ja unbedingt mitführen. Ich nahm mir vor, ihn am Ende der Welt über dem Ozean einzupflanzen, damit er wachse und ein heiliger Baum daraus werde.
Ich blickte in die herrliche Welt um mich herum, und es wurde mir vor lauter Freude ganz mulmig. In Bayern, wenn man am Sonntag die Lederhose und das frisch gebügelte Flachshemd anzieht und noch nicht zu viel Bier getrunken hat, redet man gerne und mit Stolz, daß sich der Herr bei der Schöpfung hier wohl besondere Mühe gab. Und dem stimmen nicht nur die Frommen zu, sondern auch solche, die alternativ Sozialdemokraten wählen oder dem Großen Urknall den Vorzug geben. Jedenfalls ist es so, daß wenn man am Morgen in aller Fr i sche nach einem guten Kaffeefrühstück so dahin losmarschiert, am ersten We g kreuz bereits das erste Vaterunser gebetet hat, um sich blickt und sieht, welche Herrlichkeit an Hügeln, Tälern, Wäldern, Wiesen und Feldern, schmucken Dö r fern und Kirchtürmen in Rot und Weiß unter
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