Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
aufgegabelt und hierher gebracht, und außerdem hatte sie sehr gehofft, dass er in diesem beschaulichen Nest ein schönes neues Zuhause finden könnte. Aber das war ja wohl Essig im Apfelkuchen. Den armen Marius würde sie auf keinen Fall hier zurücklassen.
Der aufgebrachte Jäger störte sich im Übrigen
auch
nicht daran, dass Mathilda sich nach Ansicht ihres Vaters nicht für diese Angelegenheiten zu interessieren hatte.
»Mein liebes Kind«, sagte er jetzt zu ihr. »Du traust mir ja offenbar gar nichts zu, was? Aber so blöd, wie ich vielleicht aussehe, bin ich ja nun doch nicht. Ich weiß nämlich sehr wohl, dass ältere Damen keine roten Leinenschuhe tragen!«
Mathilda stand unter Strom. Von dem Frühstück, das Brigitte Wallis aufgetischt hatte, bekam sie kaum etwas herunter, und außerdem verfluchte sie Oskar dafür, dass er sich einfach klammheimlich aus dem Staub gemacht hatte. Ausgerechnet jetzt, wo sie ihn so dringend an ihrer Seite gebraucht hätte, musste er seinen Vater besuchen. Als ob das nicht noch ein paar Stunden Zeit gehabt hätte! Das Wiedersehen mit Manfred Habermick wäre ihm schon nicht davongelaufen!
Aber gut, sie konnte ihn verstehen. Ja, zum Teufel, Mathilda verstand ihn sogar nur zu gut.
»Wehe, du bist woandershin abgedampft«, murmelte sie, nachdem ihre Eltern ihr endlich erlaubt hatten, vom Tischaufzustehen und nach dem kleinen Marius zu sehen. »Noch dazu, ohne mir etwas davon zu sagen oder wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen. Dann drehe ich dir den Hals um, Oskar Habermick«, knurrte sie, stieß energisch die Pensionstür auf und trat in Freie. »Es gibt nämlich hochexplosive Neuigkeiten.«
Die Sonne schien hell und warm ins Tal und am blauen Himmel war kein einziges Wölkchen zu sehen. Von dem kleinen Jack-Russel-Terrier fehlte allerdings ebenfalls jede Spur.
Mathilda umrundete die Pension, guckte unter jeden Busch und suchte alle Ecken und Winkel ab. Sie spähte über die Weiden von Kuhfladen zu Kuhfladen und blinzelte zum Wald hinüber, der sich unterhalb des Ortsausgangsschilds entlang- und bis zum nächsten Berghang hinaufzog. – Wenn Marius darin abgetaucht war, na, dann gute Nacht!
»Marius … Marius«, sagte Mathilda vor sich hin. »Was ist das bloß für ein Name! Also, ich sag dir, wenn du jemals wieder auftauchst, dann nenne ich dich Horst. Womöglich bist du aber auch zu der Lady mit den roten Turnschuhen zurückgekehrt …«
Mathilda wandte sich wieder der Straße zu und überlegte. Vielleicht war das Ganze ja nur ein Zufall. Der Umstand, dass an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an zwei verschiedenen Orten dieser Erde rote Turnschuhe an jungen Damenfüßen in ihrer unmittelbaren Nähe aufgetaucht waren, sprach jedoch eigentlich nicht dafür.
»Also kein Zufall, sondern Absicht«, erklärte Mathilda einem hübschen, weiß blühenden Strauch am Straßenrand. Oskar war ja leider nicht da und mit irgendjemandem musste sie einfach reden. Sonst sausten die Gedanken wie Lichtblitze in ihrem Kopf herum und ließen sich nicht ordnen. »Dann wurde Horst wahrscheinlich ausgesetzt, damit ich ihn finde«, fuhr Mathilda fort. Und zwar von einer jungen Frau in roten Chucks. Sie wollte ganz sicher sein, dass ich ihn finde, deshalb war sie auch noch in der Nähe, als ich an dieser Raststätte ins Gebüsch geschlüpft bin. Heute früh war sie hier im Wald und ist Frau Wallis’ Schwiegervater auf die Nerven gegangen. Und jetzt ist Horst verschwunden.« Mathilda zupfte ein paar der kleinen weißen Blüten ab und ließ sie kopfschüttelnd zu Boden rieseln. »Ehrlich gesagt, verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
Leider hatte der Strauch auch keine Erklärung für diese Vorgänge, und so ließ Mathilda grummelnd von ihm ab und beschloss, zur Kurklinik zu gehen und nach Oskar Ausschau zu halten, da bemerkte sie am Waldrand etwas Weißes. Es zwängte sich unter einem Holzhaufen hervor und kam in rasender Geschwindigkeit auf sie zugeflitzt.
Mathildas Herz machte einen Satz. »Maaarius!«, rief sie, ging in die Knie und breitete ihre Arme aus. »Äh, ich meine natürlich Horst«, verbesserte sie sich, als der kleine Terrier um sie herumsprang und sie freudig japsend begrüßte. »Wo bist du denn bloß gewesen?«
Mathilda drückte ihn an sich, herzte und küsste ihn – und stutzte.
»Mann, du riechst aber ganz schön nach Mettwurst«, sagte sie verwundert und schaute noch einmal zu der Stelle am Waldrand hinüber, an der der Jack Russel aufgetaucht war. Doch außer dem
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