Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
Holzhaufen war dort nichts zu sehen. »Na ja, Hauptsache, du bist wieder da.«
Horst wedelte mit dem Schwanz und Mathilda kraulte ihn unter dem Kinn und hinter den Ohren. Anschließend zupfte sie sein Halsband zurecht – und stutzte abermals.
Auf der Innenseite des braunen Lederbands hatte sie eine seltsame Verdickung gefühlt. Mathilda tastete noch einmal danach und entdeckte direkt neben dem Verschluss eine kleine flache Box, die sich partout nicht vom Halsband ablösen lassen wollte. »Verdammt noch mal, was ist denn das bloß für ein Ding?«
Mathilda öffnete den Verschluss, nahm das Halsband ab und betrachtete die Box ein wenig genauer. Sie war halb aus Kunststoff und halb aus Metall und erinnerte ein wenig an einen Mikrochip aus dem Computer.
»Könnte ein Sender sein oder so was in der Art«, murmelte sie.
Mathilda schlug sich gegen die Stirn.
Ein Sender – na logisch! Das erklärte endlich alles!
Die Leute, die das Werbeblatt gemacht und wohl einfach in ihren Briefkasten geworfen hatten, hatten die von DommelscheVilla offenbar die ganze Zeit über beobachtet und somit natürlich mitgekriegt, dass sie in der vorletzten Nacht überstürzt abgereist waren. Die Erpresser waren ihnen gefolgt und hatten an der Raststätte den kleinen Terrier mit dem Sender am Halsband ausgesetzt. Von da an hielten sie Abstand und tauschten sogar das Fahrzeug aus. Schließlich konnten sie einigermaßen sicher sein, dass sie den Mercedes jederzeit wieder aufspüren würden.
Mathilda seufzte. Ja, so musste es gewesen sein. Die halsbrecherische Fahrweise ihres Vaters hatte ihnen also überhaupt nichts genützt.
Die Erpresser hielten sich ganz in der Nähe auf – und zwar mit ziemlicher Sicherheit im Wald. Die Frage war jetzt nur noch: Was hatten sie vor? Und warum hatten sie nicht schon längst zugeschlagen?
Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in Mathildas Brust aus. Daran, dass diese Leute tatsächlich planten, sie umzubringen, mochte sie nicht glauben. So bösartig konnte doch kein Mensch sein.
Wie gut, dass Oskar gerade in der Klinik bei seinem Vater war, dort würde wenigstens ihm nichts geschehen, dachte Mathilda – und erstarrte.
Himmel noch mal, das vermutete sie ja bloß. Wissen tat sie es keineswegs. In Wahrheit konnten die Erpresser Oskar längst geschnappt und sonst wohin verschleppt haben. Ein eiskalter Schauer jagte ihr über den Rücken. Am liebstenhätte Mathilda auf der Stelle in der Klinik angerufen, aber dummerweise befand sich ihr Handy in ihrem Rucksack und der wiederum lag oben in ihrem Zimmer in der Pension. Es zu holen, würde unnötig viel Zeit kosten, und womöglich würde sie dabei auch noch ihren Eltern in die Arme laufen und Rede und Antwort stehen müssen. Das allerdings konnte sie immer noch tun, wenn sie Gewissheit über Oskars Schicksal hatte und wirklich Gefahr drohte.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Horst«, sagte sie.
Der kleine Jack Russel setzte sich artig hin, stellte die Ohren auf und sah sie aufmerksam an.
»Du musst nun leider auf dein Halsband verzichten«, erklärte Mathilda ihm, während sie ihren Blick suchend über die Sträucher und den Weidezaun am Straßenrand gleiten ließ. »Deine Herrschaften dürfen uns nämlich nicht aufspüren und deshalb werde ich das Ding hier irgendwo verstecken. Natürlich so, dass ich es sofort wiederfinde …«, murmelte sie und setzte sich langsam in Bewegung.
Horst erhob sich und trottete ihr hinterher.
Kurz bevor Mathilda in den Kiesweg einbog, deponierte sie das Halsband in der untersten Astgabel eines Ahornbaums. Zusammengerollt passte es dort genau in eine kleine Kuhle, in der es auf den ersten Blick nicht auffiel.
Mathilda grunzte zufrieden. Sie beschleunigte ihren Schritt und folgte den unzähligen Windungen des Kieswegs. Als endlich ein großes Gebäude in Sichtweite kam, fing sie an zurennen und erreichte eine knappe Minute später das imposante Tor.
Der schmiedeeiserne Zaun erinnerte sie an das Grundstück von Frau Seselfink, allerdings war hier alles viel weniger verschnörkelt und ordentlich als daheim in der Vielendorfer Villensiedlung.
»Ich glaube, wir sind richtig«, sagte sie, nachdem sie gelesen hatte, was auf dem Schild am Pfosten stand.
Horst hielt die Nase am Boden und schnüffelte aufgeregt herum.
»Riechst du Oskar etwa schon?«, fragte Mathilda, reckte den Hals und inspizierte das Parkgelände. »Blöd, dass es nirgends eine Klingel gibt«, murmelte sie. »Scheinbar kann man hier nur anrufen.«
Aber genau
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