Bis ans Ende der Welt
alles.
»Das war nicht protokollarisch geplant, Dummie, es hat sich so ergeben.«
»Wie kann sich so was einfach ergeben?«, fragte Ralf und grinste sie an.
Miriam lächelte zurück und zog ihr T-Shirt aus. Dann küsste sie ihn und sagte: »Na so.«
Ralf wurde von einer Wärmewelle durchflutet, wilder und schäumender als die Brecher am Barrier Reef. Heißes Blut strömte in die entlegensten Teile seines Körpers, es kribbelte, pulste, brodelte und kochte. Zärtlichkeit! Liebe! Verlangen! Hingabe!
Es war tatsächlich schöner als alles.
»Rauchst du?«
Kristine schüttelte den Kopf.
»Dann rauche ich auch nicht.« Alfred junior steckte das Zigarettenpäckchen zurück ins Handschuhfach. »Ist ohnehin nicht meine Marke - die gehören Maggie.« Er schwieg einen Augenblick, dann fragte er: »War’s okay?«
»Ja, war prima.«
Kristine fand es ganz gut, aber nicht überwältigend, Alfred schien ziemlich routiniert. Auf den Liegesitzen war es ein bisschen ungemütlich - im Freien auf dem Handtuch wäre mehr Stimmung gewesen.
»Hast du eine Decke im Auto?«
»Nein, tut mir Leid.«
»Wir könnten uns auch auf mein Handtuch legen.«
»Draußen? Da wimmelt es von Moskitos.« Er sah geistesabwesend aus dem Fenster.
Kristine fragte: »Musst du irgendwann zu Hause sein?«
Er sah auf die Uhr.
»Noch nicht. Wir haben Zeit.«
»Ist Schicksal Zufall oder nicht?«
»Was?« Miriams Ausflug ins Tiefgründige kam etwas plötzlich. Ralf hatte seine Nase in ihre weiche Haut gegraben und sich dem Glück hingegeben, unglaubliche Wonnewärme war überall in seinem Körper.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, erklärte sie. »Dein Leben wird von Zufällen gelenkt, zum Beispiel Stromausfall in der ganzen Stadt verursacht Babyschwemme - und nur deshalb wirst du gezeugt. Oder du verpasst den Bus und lernst die Liebe deines Lebens kennen. Oder du stirbst bei einem Autounfall, wegen eines winzigen Schräubchens, das sich gelöst hat.«
»Und die zweite Möglichkeit?«
»Der Zufall hat nur wenig oder keinen Einfluss. Beispiel wäre der Lottomillionär, der in einem halben Jahr alles verplempert und dann weiterlebt wie zuvor. Oder der Selbstmörder, der in letzter Sekunde gerettet wird, sich dann aber zwei Wochen später umbringt.«
»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Zufälle sind gar keine Zufälle, sondern so eine Art Weichen im... im Schienennetz des Schicksals. Sie geben deinem Leben zwar eine andere Richtung, aber du wirst in dem für dich bestimmten Bahnhof ankommen. Dass der Weg dorthin kompliziert ist, ändert nichts an deiner Bestimmung.«
»Schienennetz des Schicksals!« Sie sah ihn spöttisch an. »Aber vielleicht hast du sogar Recht: Immer wenn ich frisch verliebt bin, spüre ich, dass hinter allen meinen früheren Beziehungspleiten eine Absicht steckt: Sie sollten mich nur auf diesen perfekten Mann vorbereiten.«
Sie klatschte ihm auf den Hintern.
»Klingt logisch«, sagte Ralf.
Sie kicherte. »Genau. Und wenn es später aus ist, kommt es mir vor, als wären sie alle die erstbesten, zufällig vorbeigelaufenen Nieten gewesen.«
Alfred schaltete das Radio ein und wechselte ein paarmal den Sender, offenbar mehr, um etwas zu tun, als weil ihm die Musik nicht gefiele.
»Ist das ihr Auto?«, fragte Kristine.
»Eigentlich ja. Jetzt gehört es uns gemeinsam.«
»Wie lange seid ihr schon verheiratet?«
»Ist bald ein Jahr.«
»Hast du öfter was mit...?«
Er blickte sie kurz an, sah dann wieder zur Windschutzscheibe hinaus und sagte: »Einmal bisher. Maggie hat’s herausgefunden und einen fürchterlichen Aufstand gemacht, sie hat gedroht, mich rauszuschmeißen. Das Haus, der Supermarkt, das Auto - läuft alles auf sie.«
Er lächelte, während er weiter nach draußen blickte.
»Und das ist noch nicht alles: Ihre Mutter hat geschworen, mir beim nächsten Mal die Eier abzusäbeln. Zuzutrauen wär’s ihr, bei der kann man nie sicher sein. Zum Glück wohnt sie eine Tagesreise weiter nördlich - sie hat eine Art Kiosk in der Nähe von Cairns, in dem sie Tunfischsandwiches verkauft. Die spinnt, sag ich dir. Mach da lieber einen Bogen drum!«
Kristine spielte ein bisschen mit seinem Haar, bis sie entschied, dass die Pause lang genug war.
»Und was steht auf Julian geschrieben?«
»Das Leben ist ein Dschungel, Mann!«, sagte Ralf.
Miriam kicherte. Sie lagen unter der Leinendecke und spielten das Was-steht-auf-wem-geschrieben-Spiel.
Nun war er mit Fragen dran: »Auf deinem Vater?«
»Jeder bekommt, was er
Weitere Kostenlose Bücher