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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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unterwegs war. Er fuhr zielstrebig zu einem Schotterweg außerhalb der Stadt, der von der Straße ein paar Meter ins Unterholz führte. Es wurde rasch dunkel.
    »So«, sagte er, »hier wären wir.«

    Julian blieb bei der Crew, um sich für den Tauchkurs anzumelden und zu fragen, wo er günstig ein Tauchermesser bekäme. Ralf war froh, ihn für eine Weile los zu sein. Miriam nahm auf dem Weg zum Backpacker seine Hand und drückte sich ab und zu an ihn ran.
    »Oh, mein Held«, flötete sie.
    Ralf brachte es nicht fertig, Miriam zu gestehen, dass er den Falschen Schwertwal erst gesehen hatte, als er fast weg war. Er wechselte das Thema.
    »Wie war das, als du schwanger warst?«
    »Furchtbar. Meine Freundinnen haben mich geschnitten. Keine rief mehr an, keine besuchte mich, keine ging mit mir weg, als ob schwanger werden ansteckend wäre. In der Schule glotzten alle. Sie haben mich nicht bespuckt oder so was - aber sie glotzten. Dieselben Mädchen, die dich eine Woche zuvor zur Zicke erklärt hatten, wenn du noch Jungfrau warst, machten dich auf einmal zur Schlampe der Stadt. Mein Vater tat so, als hätte er immer gewusst, wie das mit mir endet, dabei hatte er sich die letzten Jahre nur für meine Noten interessiert. An einem Tag im Jahr wusste er, wie alt ich war: wenn meine Mutter die Kerzen auf den Geburtstagskuchen gesteckt hat.«
    »Warum hast du es überhaupt rumerzählt?«
    »Hab ich nicht, nur meiner Mutter. Die hatte nichts Besseres zu tun, als es ihrer Tennispartnerin zu erzählen. Zwei Tage später wusste es jeder. Eine Abtreibung kam deswegen für meine Eltern nicht infrage, also spielten sie die vom Schicksal schwer Geschlagenen. Es kommt noch besser.«
    »Und zwar?«
    »Ich hab mich so über meine Eltern geärgert, aber protestieren ging nicht, ohne ein ›Hast du uns nicht schon genug angetan? ‹ an den Kopf geworfen zu bekommen. Da hab ich die Schlaftabletten meiner Mutter geklaut.«
    »Was?«
    »Als Warnung. Ich hab die Tabletten nie angerührt. Natürlich war das bescheuert, aber ich wollte ernst genommen werden.«
    »Und?«
    »Durchschlagender Erfolg. Statt dass sie mal mit mir gesprochen hätten, bekam ich Hausarrest. Und rat mal, was meine Mutter noch gemacht hat.«
    »Ihrer Tennispartnerin erzählt, dass sie einen Selbstmordversuch gerade noch heldenhaft verhindert hat?«
    »Exakt. Zuvor galt ich in der Schule als Schlampe, danach als irre Schlampe.«
    »Und warum hast du das Kind verloren?«
    »Ich weiß nicht. Das ist gar nicht so selten - vielleicht weil es mir so beschissen ging. In der Schule haben sie natürlich rumerzählt, dass es eine Abtreibung war.«
    »Und deswegen seid ihr nach Australien umgezogen?«
    »Na ja, wahrscheinlich doch eher wegen dieser Steuergeschichte. Aber jetzt war auf einmal meine Mutter diejenige, die schief angeschaut wurde. In jedem Blick der Vorwurf: Die haben ihre Tochter zur Abtreibung gezwungen. Als die Gerüchte nach einiger Zeit nicht verstummt waren, traf mein Vater die Entscheidung. Es kam nicht ungelegen, seine Schulden war er auf einen Schlag los.«
    Sie waren im Backpacker angekommen. Beth war nicht im Zimmer. Sie hängten ihre Badesachen zum Trocknen auf und setzten sich auf Miriams Bett.
    »Und dein Freund?«
    »Er war nett - am Telefon. Nur besucht hat er mich nicht. Er hatte das Gefühl, meine Eltern wollten das nicht.«
    »Stimmt das?«
    »Natürlich waren sie nicht gut auf ihn zu sprechen. Aber sich nicht mehr herzutrauen, nur weil mein Vater ihm vielleicht eine Standpauke hält, fand ich schon ein bisschen schwach.«
    »Was - er hat dich einfach hängen lassen?«
    »Ich hab ihn einmal noch wiedergesehen, im Bus, da hat er weggeschaut und ist an der nächsten Haltestelle ausgestiegen.«
    »Schlechtes Gewissen.«
    »Wahrscheinlich.«
    »So was würde ich nie tun, da kannst du dich drauf verlassen. Warum habt ihr eigentlich - äh - nicht verhütet?«
    »Er hat gesagt, er passt auf, aber er kam sehr früh. Besser gesagt: sofort.«
    Ralf schüttelte verständnislos den Kopf, erinnerte sich aber mit leichtem Unbehagen, dass es ihm vor zwei Wochen ähnlich ergangen war. Moment - zwei Wochen war das her? Es schien ihm wie Monate - wie ein anderes Leben.
    »Warum hast du nicht die Pille oder ein Kondom genommen?«
    »Hast du immer ein Kondom dabei?«
    »Nein, aber ich hab da auch nichts geplant mit jemandem.«
    Obwohl das mit dieser Jemand, die ihm gegenübersaß, sehr schön wäre, dachte Ralf, wunderschön, schöner als irgendetwas. Schöner als

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