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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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helfen, sich zu einer Kugel zusammenzurollen, um ihm keine Angriffsfläche zu bieten. Nur 40 Prozent aller Haiangriffe enden tödlich.«
    Ralf fragte den Tauchlehrer, ob sie Haie zu Gesicht bekommen würden.
    »Kaum«, antwortete er. »Hier gibt es nur wenige und die sind nicht neugierig.«
    Das Wasser änderte seine Farbe langsam in Blau, das Boot fuhr jetzt schneller. Pete, der Tauchlehrer, erklärte die Regeln an Bord und betonte dabei das Gesetz der Toilette: »Da kommt nichts rein, was ihr nicht zuvor gegessen habt.« Dann forderte er einen nach dem anderen auf, sich vorzustellen. Nahezu die ganze Welt schien vertreten, nur keine Japaner, die hatten eigene Boote. Ralf erkannte die Frau mit der knappen Fransenjeans wieder. Sie hieß Nicolette und kam aus Seattle. Diesmal war sie weniger eindeutig gekleidet, aber wieder hatten ihre Shorts die Pobacken nicht ganz im Griff. Nachdem sich alle vorgestellt hatten, kam Nicolette herüber.
    »He, ich dachte mir gleich, dass ihr das gestern wart.« Sie wandte sich an Miriam. »Du hast gewonnen, nicht wahr?«
    »Zweite.«
    »Gratuliere. Du warst auch nicht schlecht, Ralf. Ist die Lippe von...?«
    Ralf nickte.
    »Du Ärmster.«
    Ralf bedankte sich für die Anteilnahme. Nicolette stellte sich als nicht so übel heraus, nur rauchte sie eine nach der anderen.
    Ralf fragte sich, ob man im Wasser Zigaretten durch den Schnorchel rauchen konnte.
    »Bist du noch lange geblieben?«, fragte er.
    »Bis halb vier.«
    »Dann hast du ja nicht viel geschlafen.«
    »Gar nicht. Ich habe noch jemanden kennen gelernt.«
    Sie schenkte ihm einen koketten Blick.
    Pete bat um Aufmerksamkeit und erklärte den Gebrauch von Taucherbrille und Schnorchel: »Für eine klare Sicht einmal in die Brille spucken und den Schleim verreiben. The greener, the cleaner. Dann mit Meerwasser ausspülen. Unter Wasser fassen wir nichts an und lassen die Natur in Frieden. Nebenbei bemerkt sind einige der Organismen giftig. Okay?«
    Der Tauchlehrer erhielt zustimmendes Raunen. Julian erklärte Ralf, Miriam und Nicolette, welche Lebewesen gemeint waren: »Eine bestimmte Schneckenart mit tödlichem Stachel ist von ihren harmlosen Verwandten nur durch die Musterung des Gehäuses zu unterscheiden.«
    Nicolette strahlte Julian an, als ob er ihr ein Kompliment gemacht hätte. Julian lächelte höflich zurück. Miriam, Ralf, Nicolette und Julian hatten sich für den Probetauchgang entschieden. Der Tauchlehrer winkte.
    »Eine Welt fantasievollster Farben und Formen liegt vor uns. Ich wünsche allen viel Spaß.«
    Ralf hatte es sich nicht schöner vorstellen können: Dreißig oder vierzig Meter Sicht auf vermeintliche Felsformationen, in Wirklichkeit tausende Generationen abgestorbener Korallen. Spalten taten sich vor ihm auf, Höhlen, Täler, Plateaus, Nischen, Torbögen und Säulen. An jeder Wand prangten Korallen in eigenartigen Formen und grell-poppigen Farben, überall Fische, Fische, Fische. Die meisten kümmerten sich überhaupt nicht um die Taucher und machten erst Platz, als sie zum Greifen nahe waren. Tauchen war wie fliegen - nur ein bisschen gemächlicher.
    Eine dicklippige Maori-Wrasse, größer als alles, was er jemals an Fisch gesehen hatte, kam auf Ralf zu, mit ruhigen, eleganten Flossenschlägen. Sie beäugte ihn interessiert, als ob er was Essbares wäre. Allein ihre entspannten, fast überheblich langsamen Bewegungen ließen sie nicht sehr gefährlich erscheinen. Als er an Deck Bericht erstattete, sprangen die anderen auch noch mal rein. Nicolette nicht, sie unterhielt sich mit dem Tauchlehrer.

    Mittags gab es Buffet, Ralf stopfte Unmengen in sich hinein. Zwischen zwei Sandwiches machte er mit Miriam aus, nach dem Essen schnorcheln zu gehen. Da hatte man einen fast ebenso guten Blick, nur von oben eben.
    Julian hatte sich von der Crew ein Feuerzeug geliehen. Er lauerte unauffällig auf Nicolettes nächste Zigarette. Aber während sie aß, rauchte sie nicht. Offenbar weil er mit dem Feuer gerade nicht weiterkam, mahnte er Miriam und Ralf, sich vor Muränen in Acht zu nehmen: »Die verbeißen sich in deine Hand und lassen nicht mehr los, bis du ihnen mit dem Messer den Kiefermuskel durchtrennst.«

    Am Nachmittag hatten sich Miriam und Ralf ein bisschen vom Pulk abgesetzt und erforschten auf eigene Faust das Riff. Sie entdeckten riesige Mördermuscheln, die sich in das Massiv gezwängt hatten, mit blau oder violett leuchtendem Inneren - als ob das Fremdenverkehrsamt Scheinwerfer darin versteckt hätte.

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