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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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lassen, der den linken Fl ü gel der T ü r im Fu ß boden verankerte. Wenn das der Fall war, reichte wom ö glich ein kr ä ftiger Ruck, um beide Fl ü gel nach au ß en schwingen zu lassen, selbst wenn sie abgeschlossen war. Wie sich herausstellte, hatte ich sogar noch mehr Gl ü ck. Von dem Holz stieg mir der Geruch frischen Lacks in die Nase, und zwischen den T ü rfl ü geln steckte ein kleiner Keil, um sie leicht offen zu halten, damit der feuchte Lack sie nicht zusammenklebte. Ich ö ffnete die T ü r gerade so weit, um zwischen den lackierten Fl ü geln durchzuschl ü pfen, dann zog ich sie rasch hinter mir zu.
    Ich hatte richtig gelegen mit meiner Vermutung – ich war in einem Fl ü gel mit Klassenzimmern, der, wie ich hoffte, eine Verbindung zum Mittelschiff der Kirche hatte. Ich ging den Flur hinunter, um diese Verbindung zu suchen. Der Flur roch nach modrigem Wachs, schmutzigem Bonbonpapier und dem unverkennbaren Geruch nach Buntstiften, die von zahllosen kleinen H ä nden angefasst worden waren. In einer Nische im Flur steckte ein gro ß es Puppentheater, daneben hing ein Poster der Arche Noah, vollgestopft mit Tieren. Auf der T ü r zum ersten Klassenzimmer hing ein Poster von Jesus mit der Ü berschrift » Lasset die Kindlein zu mir kommen «. In dem Raum waren kleine Holzst ü hle und -tische und etwas, was an ein h ö lzernes Ruderboot auf Kufen erinnerte. Mit einem Ruck erinnerte ich mich pl ö tzlich an so ein Ding aus meiner eigenen Kindheit, und das Lied » Row, row, row your boat « schoss mir durch den Kopf, gesungen von Miss Eloise, meiner sanftm ü tigen Kinderg ä rtnerin.
    Nach drei R ä umen f ü r Kinder, der letzte ausgestattet mit Laufgittern, Kinderbettchen und mehreren bequemen Schaukelst ü hlen, stie ß der Flur auf einen andern Flur und ein Treppenhaus. Noch bevor ich sie h ö rte, sp ü rte ich das tiefe Dr ö hnen einer Orgel den Flur zur Linken hinunter, deren Bass jetzt in meinem Herz mitschwang. Ich ging durch einen tiefen T ü rbogen, der in einen ä lteren Teil des Geb ä udes f ü hrte. Dort folgte ein gekr ü mmter Durchgang vermutlich der Kr ü mmung der Apsis, dem halbkreisf ö rmigen Bereich hinter dem Hauptaltar. Ich ging nach links, wo ich nach zwanzig Schritten auf eine gew ö lbte Holzt ü r stie ß , die freundlicherweise mit MITTELSCHIFF beschriftet war. Sie war nur angelehnt, und ich dr ü ckte ein Auge in die Ritze und schob diese noch ein paar Zentimeter weiter auf. Was ich sah, lie ß mich einen Riesensatz r ü ckw ä rts machen, als w ä re ich auf Augenh ö he auf eine zusammengerollte Schlange gesto ß en. Keine drei Meter entfernt stand der Hochaltar, und auf der einen Seite, das Gesicht mir zugewandt, sa ß der Organist. Weitere drei Meter hinter ihm, weiter zu meiner Linken, sa ß die erste Reihe Leute, deren Bank mit einer wei ß en Schleife markiert war. Ich erkannte das Gesicht von Jess’ Exmann, und in derselben Reihe wie er, jedoch ein St ü ck von ihm weg, sa ß eine Frau, die aussah wie eine siebzigj ä hrige Version von Jess. Das war sicher ihre Mutter, und es machte mich traurig, daran zu denken, dass hier eine Mutter ihr Kind beerdigte. Hinter ihnen sa ß en Schulter an Schulter drei Reihen voller Polizeibeamter in blauen Anz ü gen. Dahinter, stellte ich verdutzt fest, sa ß eine elegante schwarze Frau; ihr Gesicht war halb hinter einer Hutkrempe verborgen, doch ich vermutete, dass es das Gesicht von Miss Georgia Youngblood war. Ihre Platzwahl – unmittelbar hinter Dutzenden von muskul ö sen Polizisten – best ä tigte praktisch meinen Verdacht. Ich schloss die T ü r. Von hier aus hatte ich einen un ü bertroffenen Blick auf den Gottesdienst, doch ich war auch gef ä hrlich ungesch ü tzt.
    W ä hrend mein Kopf und mein Puls zur Begleitung der Orgel rasten, brachte mich die Musik auf eine Idee. Ich hatte eine Reihe gotischer Kathedralen in England und Frankreich bereist, und die meisten hatten einen Balkon oder ein Mezzanin, das um das ganze Mittelschiff herumf ü hrte. Ich ü berlegte, ob diese Kirche wohl auch so etwas hatte, schlie ß lich war sie neogotisch, und ich beschloss, noch einen Blick zu wagen. Ich schob die T ü r wieder auf, diesmal keine zwei Zentimeter, und wurde mit einem Blick auf dunkle Bogeng ä nge in sechs Metern H ö he belohnt. Einer der B ö gen beherbergte einen Satz silbergrauer Orgelpfeifen, doch die meisten waren leer, und es sah so aus, als f ü hrten sie um die gesamte Apsis herum. Ich eilte zur ü ck zu

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