Bis auf die Knochen
Relikt. In gewisser Weise war es das auch: Die potenzielle Identit ä t des jungen Mannes, der an dieser Stelle zu Tode gepr ü gelt worden war. Ich hielt es ins Licht, damit Cliff hindurchschauen konnte. Er besah es sich, runzelte die Stirn, und dann d ä mmerte es ihm, und Begreifen und Staunen spiegelten sich in seiner Miene. » Sieht aus wie ein Fingerabdruck «, sagte er. Ich nickte. Er runzelte erneut die Stirn. » Aber wie …? «
» Ungef ä hr eine Woche nach dem Tod l ö st sich die ä u ß ere Schicht der Haut – die Epidermis – von den H ä nden «, erkl ä rte ich ihm. » Sie l ö st sich von der darunter liegenden Schicht, der Dermis, und sch ä lt sich quasi ab wie ein OP-Handschuh. Ich kann dies mit ins Labor nehmen und ü ber Nacht in Wasser und Weichsp ü ler einweichen, und morgen fr ü h kann jemand aus dem kriminaltechnischen Labor seinen Finger in diese Finger schieben – sich den Handschuh quasi ü berstreifen – und die Fingerabdr ü cke abnehmen.«
Er pfiff. » Ich glaube nicht, dass die Deputys in Marion County den Trick kennen.«
» Nun, auf so etwas st öß t man auch nicht alle Tage «, sagte ich. » Und die Fingerabdr ü cke dieses Mannes hier sind wom ö glich gar nicht in den Akten. Aber wenn sie in den Akten sind, sind wir sicher in der Lage, ihn zu identifizieren.« Ich nahm ein zweites, etwas gr öß eres Fl ä schchen aus einer H ü fttasche, schob die Hauth ü lle hinein und schloss den Deckel.
Dann sah ich mich ein letztes Mal um. An der Rinde der Kiefer klebten Blutkl ü mpchen, Knochensplitter und Spritzer von Hirnsubstanz. F ü gte das dem, was ich bereits wusste, etwas Neues hinzu? Vielleicht nicht, doch es best ä tigte etwas: Die Verletzungen, oder zumindest das Sch ä deltrauma, waren ihm hier drau ß en zugef ü gt worden, nicht irgendwo anders. Mir kam der Gedanke, dass die l ä ndlichen Deputys vielleicht nicht daran gedacht hatten, Proben zu Beweiszwecken zu nehmen, und dass ein geschickter Verteidiger – jemand, sagen wir mal, wie meine ehemalige Nemesis Burt DeVriess – dieses Vers ä umnis nutzen k ö nnte, um in den K ö pfen der Geschworenen die Saat des Zweifels zu s ä en. Also holte ich mein Taschenmesser und einen wiederverschlie ß baren Zipplock-Beutel heraus, klappte die gr öß ere der zwei Klingen aus, schabte ein paar Schichten der schuppigen Kiefernrinde ab und fing sie im Fallen mit der T ü te auf. Die Rinde war dunkelbraun, obendrauf fast schwarz und untendrunter von einem satten Rostrot, das an Zimt erinnerte. Ich achtete darauf, eine ausreichend gro ß e Probe zu nehmen, damit Jess einen Teil aufheben und einen Teil zur DNA-Analyse einschicken konnte, um zu best ä tigen, dass dieses Material von dem eingeschlagenen Sch ä del stammte, der sich in einer K ü hlbox, wenige hundert Meter von hier, in meinem Wagen befand.
Als ich die T ü te verschloss, in die Seitentasche meiner Cargohose steckte und den Rei ß verschluss zuzog, bemerkte ich, dass die Sonne hinter der S-Kurve des Flusses im Sinken begriffen war. Ich schaute auf die Uhr und rechnete aus, dass ich gut eine Stunde hier gewesen war, eher zwei. » Ich dachte, Sie wollten um die Zeit l ä ngst zu Hause sein? «, sagte ich zu Cliff.
» Ich war mir nicht sicher, ob Sie auch wieder rausfinden «, sagte er. » Wollte nicht um Mitternacht rausgerufen werden, um Sie suchen zu gehen.« Er sah die Kr ä nkung in meiner Miene und f ü gte hinzu: » Abgesehen davon ist es interessant. Von Ihnen habe ich viel mehr erfahren als von den Deputys, die letzte Woche hier am Tatort gearbeitet haben.« Er schien es ernst zu meinen, also dankte ich ihm und machte mir keine Sorgen mehr, ich h ä tte mich ihm wom ö glich aufgedr ä ngt.
Als ich endlich den Suck Creek Mountain wieder hinunterfuhr nach Chattanooga, war Jess bereits nach Hause gegangen, also hinterlie ß ich ihr eine Notiz, ich w ü rde die Haut von der Hand mit nach Knoxville nehmen. Sie war ä u ß erst empfindlich, und der Einzige, dem ich sie anvertrauen wollte, war Art Bohanan. Ich bat Amy, mich in den Sektionssaal zu lassen, wo ich das Plastikfl ä schchen mit warmem Wasser f ü llte und ein paar Tropfen Downy – einen einfachen Weichsp ü ler – hinzuf ü gte. Bevor ich mich auf den Heimweg machte, reichte ich Amy noch den Beutel mit den Knochensplittern, lie ß mir von ihr eine Quittung geben und schloss sie in der Asservatenkammer ein. Dann sagte ich Auf Wiedersehen, bat sie, ihrer Chefin meine Gr üß e auszurichten, und
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