Bis auf die Knochen
Berglorbeer, sah ich sie. Die meisten steckten unter einer sch ü tzenden Schicht Laub vom vergangenen Herbst. Ich winkte Cliff n ä her und zeigte sie ihm. » Sehen Sie diese winzigen torpedo ä hnlichen Dinger, ungef ä hr sieben bis acht Millimeter lang? «
Er runzelte die Stirn, hockte sich hin und sagte dann: »O ja, dunkelbraun? Mit einem kleinen Ring drum herum? Was ist das? «
Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hob ich eines auf, sorgsam darauf achtend, es nicht zu zerdr ü cken, und legte es in die Handfl ä che der linken Hand. Ein Ende hatte eine kleine runde Ö ffnung, durch die man sah, dass der Zylinder innen hohl war. » Ein Puparium – eine Puppenh ü lle. Sie ist leer, was bedeutet, dass die Fliege sich schon nach drau ß en durchgeknabbert hat. Das hei ß t, dass die Leiche auf jeden Fall vor zwei Wochen schon hier drau ß en war.«
» Sie wollen behaupten, dass diese Dinger da Ihnen verraten, dass der Mord wenige Tage, nachdem ich hier drau ß en war, stattfand? «
» Sieht ganz so aus «, sagte ich. Ich nahm ein kleines Fl ä schchen aus der Hemdtasche, dr ü ckte mit dem Daumen die Kappe auf und lie ß die Puppenh ü lle aus der hohlen Hand hineinfallen. Dann f ü gte ich noch ein paar weitere der H ü lsen vom Boden hinzu, schloss den Deckel wieder, tat das Fl ä schchen in meine Hemdtasche und machte den Knopf zu. » Wir haben den Tatort in meiner Forschungseinrichtung oben an der University of Tennessee, Knoxville, mit einer gespendeten Leiche nachgestellt. Sie ist inzwischen seit einer Woche an einen Baum gebunden, und sie kommt allm ä hlich in dasselbe Stadium der Verwesung, wie die Leiche hier war, als sie gefunden wurde. Auch das spricht f ü r diesen Zeitraum.«
Aus dem Augenwinkel fiel mir unter den Bl ä ttern eine winzige Bewegung auf. Ich schaute gerade noch rechtzeitig richtig hin, um eine winzige Fliege, frisch geschl ü pft, auf ein r ö tlich braunes Blatt von einer Kastanien-Eiche krabbeln zu sehen. Sie gesellte sich zu mehreren anderen, die bereits auf dem breiten Blatt sa ß en, auf das die Nachmittagssonne fiel. Ich zeigte darauf, und Cliff beugte sich vor. Ich wedelte mit den Fingern dar ü ber; die Fliegen flitzten hin und her, um zu entkommen, blieben jedoch auf dem Blatt hocken, statt wegzufliegen. » Wenn sie gerade geschl ü pft sind, sind ihre Fl ü gel noch feucht und weich. Sie m ü ssen eine Weile trocknen, bevor sie steif genug sind zum Fliegen. Wenn Sie sich an den Baumst ä mmen in der N ä he hier umsehen, finden Sie vielleicht noch ein paar. Ich habe mal an einem Mordschauplatz gearbeitet, wo eine S ü dwand mit Tausenden von kleinen Fliegen bedeckt war, die alle ihre Fl ü gel trockneten.«
Er sah sich um und winkte mich dann zu zwei Baumst ä mmen. » Nicht Tausende, aber wahrscheinlich Hunderte an diesen beiden B ä umen.« Ich nickte. Er wirkte nachdenklich. » Wenn ich also das n ä chste Mal mit meinem Mittagessen herkomme «, sagte er, » dann st ü rzen die sich alle auf mich, was? «
» Einige bestimmt «, sagte ich. » Au ß er sie haben von irgendwoher Wind von etwas bekommen, was noch interessanter riecht.«
» Und die stammen von den Maden, die sich an der Leiche g ü tlich getan haben, richtig? «
» Ich glaube schon «, antwortete ich. » Was meinen Sie? «
» Ich meine, es ist an der Zeit, dass ich mir einen anderen Platz zum Mittagessen suche.«
Ich ging zur ü ck zu dem Baum, an den die Leiche gefesselt gewesen war, b ü ckte mich, die H ä nde auf die Knie abgest ü tzt, und sah mir den Boden an. Doch ich fand nicht, wonach ich suchte, also lie ß ich mich wieder auf H ä nde und Knie nieder und krabbelte vom Stamm ausgehend in einer Reihe von immer gr öß er werdenden Kreisen um den Baum.
» Was suchen Sie jetzt noch? «
Gerade als ich sagen wollte, es sei nicht da, entdeckte ich auf dem Teppich aus Moos und Kiefernnadeln etwas, was aussah wie ein verschrumpeltes, eingerolltes Blatt. » Das, glaube ich «, antwortete ich. Ich hob es auf und rollte es zwischen zwei Fingern, sanft, aber mit gen ü gend Druck, um ein totes Blatt zu zerbr ö seln, hin und her. Doch es br ö selte nicht. Ich rollte es ganz leicht auf und hielt es ins Licht. Die Sonne schien hindurch und verlieh ihm ein bernsteinfarbenes Gl ü hen, und in diesem Gl ü hen offenbarte sich mir ein Muster aus Falten und Schleifen, das ich ü berall wiedererkennen w ü rde.
Ich ging zu Cliff hin ü ber, das Objekt in den H ä nden bergend wie ein heiliges
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