Bis auf die Knochen
Anthropologe und Anh ä nger der Evolutionstheorie «, sagte ich. » Ich vermute, Sie sind Jennings Bryan, Anwalt und Aktivist des Kreationismus? «
» Nicht Kreationismus «, sagte er freundlich. » Intelligente Sch ö pfung. Bitte.« Er l ä chelte leicht, als w ü sste er einen w ü rdigen Gegner zu sch ä tzen. » Der ber ü hmte Dr. Brockton «, sagte er. » Bitte verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen nicht die Hand sch ü ttle. Es k ö nnte die Dinge f ü r mich verkomplizieren, wenn die Zeitungen oder das Fernsehen ein H ä ndesch ü tteln auf Zelluloid bannen w ü rden.«
» Nun, ich m ö chte die Dinge ungern verkomplizieren «, sagte ich. » Ich habe schon genug damit zu tun, wenn sie ganz simpel sind.«
» Ich habe da etwas anderes geh ö rt «, meinte er.
» Nun. Es tut mir wirklich leid, dass ich den jungen Mann in der Vorlesung so in Verlegenheit gebracht habe.«
» Mir nicht «, erwiderte er. » Sie haben uns einen Riesengefallen getan.«
» Das sehe ich «, sagte ich. » Und das tut mir ebenfalls leid.« Wieder schenkte er mir dieses kleine L ä cheln.
Am Rand der Demonstranten hatte sich eine Menschenmenge – hundert und mehr Menschen – versammelt, und das Fernsehteam filmte pflichtbewusst auch ihre Gesichter. Einige waren nur Zuschauer, aber ich sah, dass die meisten Studierende von mir waren. Ich schaute auf die Uhr: 10:59, und ich hatte meine Studierenden stets auf P ü nktlichkeit gedrillt. » Sie m ü ssen mich entschuldigen, Mr. Bryan «, sagte ich. » Ich muss eine Vorlesung halten.« Ich trat vor, auf das Museum zu, auf die Demonstranten zu. Ich war noch keine zehn Schritte gekommen, da h ö rte ich Bryan hinter mir rufen: » Hier kommt er! «
S ä mtliche K ö pfe und Kameras drehten sich in meine Richtung. Ich ging weiter, verringerte den Abstand. Als ich vielleicht noch sechs Meter von ihnen entfernt war, begann der Demonstrant im Gorillakost ü m zu kreischen wie ein Schimpanse. Es war wohl ein abgesprochenes Signal, denn in diesem Augenblick griffen seine Kumpane in Taschen und Beutel, holten ü berreife Bananen heraus und bewarfen mich damit. Die meisten verfehlten ihr Ziel, doch einige trafen mich an Schulter und Brust, und eine klatschte mir an den Kopf. Bananenbrei tropfte mir ü bers Gesicht und in den Kragen. Meine F üß e hatten aufgeh ö rt, sich zu bewegen, als das Bananensperrfeuer eingesetzt hatte; ich stand da wie festgewurzelt. Einer aus der Menge der Demonstranten zauberte von irgendwo eine Sahnetorte hervor und reichte sie dem Gorillamann. Er sprang vor wie ein Affe und klatschte sie mir ins Gesicht. Auch sie war aus Bananen, und ich musste ü berrascht feststellen, dass sie gar nicht so schlecht schmeckte.
Als ich ein Taschentuch herausholte, um mir den Kuchenbrei aus den Augen zu wischen, sah ich die Beamten der Campuspolizei auf mich zulaufen. Sie bildeten mit dem R ü cken zu mir einen Kordon, Arme und H ä nde ausgestreckt. Der Mann mit der Fernsehkamera k ä mpfte sich an den Rand des Kreises vor und hielt auf mein tropfendes Gesicht. Ich schaute zu den Demonstranten hin ü ber, in deren Mienen eine Mischung aus Freude und Hass lag, und dann schaute ich zu der Menge von Zuschauern und Studierenden hin ü ber, die den Demonstranten zahlenm äß ig inzwischen weit ü berlegen waren. Pl ö tzlich schob sich eine junge Frau durch die Menge und kam auf mich zugelaufen, die hoch ü ber dem Kopf ein grob zusammengezimmertes Schild schwenkte. Es war Miranda Lovelady, und das handgemalte Bild erkannte ich von einem Aufkleber auf ihrem Auto: ein stilisierter Fisch, in dessen Bauch das Wort DARWIN stand; unter dem K ö rper hatte der Fisch gespreizte Beine.
Beifallsrufe erhoben sich, und die Studierenden reihten sich hinter Miranda ein. Die Beamten bildeten einen Keil, und wir – die Polizei, die Studierenden und ich – r ü ckten durch die Streikpostenkette in das Geb ä ude vor.
Ich verschwand rasch in der Toilette, um mir den Kuchen von Gesicht und Hals zu waschen. Dann hielt ich die n ä chsten neunzig Minuten meine Vorlesung, und ich hatte mich nie stolzer oder privilegierter gef ü hlt, Professor zu sein.
18
Ich wollte gerade ins Bett gehen, da klingelte mein Telefon. Es war mein Sohn Jeff. » Schalt Channel 4 ein «, sagte er.
» Warum? Was l ä uft? «
» Regionalnachrichten. Im Teaser vor der Werbung haben sie dich, Kreationismus und eine appetitliche Kontroverse erw ä hnt, was auch immer das bedeutet. Hast du heute Streit gesucht? «
» Oh, zum
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