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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Wohngegend gewesen mit zwei- und dreist ö ckigen viktorianischen H ä usern auf gro ß en, schattigen Grundst ü cken. Im Laufe der Jahrzehnte jedoch waren viele H ä user heruntergekommen; einige waren in Wohnungen unterteilt und in Aluminiumverkleidung eingeh ü llt worden; andere waren abgebrannt und durch trostlose Backsteink ä sten ersetzt worden. In den letzten Jahren hatte es vereinzelt, peu à peu so etwas wie eine Wiedergeburt gegeben. Wir fuhren an mehreren H ä usern in verschiedenen Stadien des Zerfalls vorbei, wo der Rasen hochgeschossen war und Ä ste nach durchh ä ngenden D ä chern griffen. Dann passierten wir eine Enklave wundersch ö n renovierter Villen. Einige waren in neutralen Farben oder zarten Pastellt ö nen gestrichen, andere in lebhaften, kontrastierenden Farben herausgeputzt – eine hatte t ü rkisfarbene Holzverkleidung, goldene Fensterrahmen und orangefarbene Zierleisten. Meine Kollegen von der Fachrichtung f ü r Kunst und Architektur nannten so etwas »Paradiesv ö gel «. Sie erinnerten mich an die Transvestiten, die Jess und ich in dem Nachtclub in Chattanooga gesehen hatten, und die Analogie lie ß mich l ä cheln. Ich w ü rde ein Haus niemals in so k ü hnen Farben streichen, doch ich freute mich dar ü ber, wie sehr es ein Viertel belebte.
    » Erz ä hl mir von den Gl ü cklichen, zu denen wir jetzt fahren «, sagte ich. » Und woher du wei ß t, ob jemand zu Hause ist? «
    » Ich habe angerufen, bevor ich dich anrief «, sagte er. »Eine Frau war dran. Ich habe ›Tut mir leid, da habe ich mich wohl verw ä hlt‹ gesagt und aufgelegt. Ich wollte mich nicht am Telefon erkl ä ren m ü ssen.« Ich nickte. » Die Eltern hei ß en Bobby und Susan Scott; der Junge hei ß t Joseph. Joey. Der Vater ist Bauunternehmer, die Mutter arbeitet halbtags als Zahnhygienikerin.«
    » Weitere Kinder? «
    » Ich wei ß nicht.« Er fuhr langsamer, um nach einer Hausnummer zu schauen. » Muss das n ä chste Haus auf der rechten Seite sein.«
    Das n ä chste Haus auf der rechten Seite war ein dreist ö ckiges viktorianisches Wohnhaus mit einer riesigen Veranda, die sich ü ber die ganze Breite des Hauses erstreckte und an einer Seite ums Haus herumf ü hrte. Zwei Schlafzimmer im ersten Stock hatten ebenfalls ü berdachte Balkone, und der zweite Stock – der vor hundert Jahren wahrscheinlich die Dienstbotenzimmer beherbergt hatte – war eine innige Verbindung aus Schieferdach und stehenden Dachfenstern. Das Haus war wie ein Mikrokosmos der Gegend: mitten in der Arbeit, ein Musterbeispiel f ü r den Ü bergang. Eine Seite der Fassade war frisch gestrichen, die handgefertigten Schindeln aus Zedernholz in einem eleganten Blaugrau mit wei ß en R ä ndern; die andere Seite war von einem Bauger ü st umstellt, durch das ich einen Blick auf ein Flickwerk aus abbl ä tternder Farbe und neue, ungestrichene Schindeln erhaschen konnte.
    Neben dem Haus unter einer Wageneinfahrt, deren Dach von kannelierten S ä ulen getragen wurde, parkte ein Minivan. » Also, das nenne ich doch einen Carport «, sagte Art. » So etwas wird heute einfach nicht mehr gebaut.«
    » Nein «, stimmte ich ihm zu, » aber ich wette, deine Heizkostenrechnung im Winter betr ä gt auch nur ein Zehntel dessen, was die hier zahlen m ü ssen. Sieh dir nur all die Fenster mit den vielen kleinen Scheiben an. Sieht so aus, als w ü rden sogar einige fehlen. Wahrscheinlich auch keine W ä rmed ä mmung in den W ä nden – ich wette, wenn der Winterwind fegt, sp ü rst du ihn im ganzen Haus.«
    » H ä lt die Zahl der Keime klein «, sagte er. » Und st ä rkt das Immunsystem.« Er parkte am Stra ß enrand und stellte den Motor ab. » Okay, bist du bereit? «
    » Nein.«
    » Ich auch nicht. F ü r so etwas bin ich nie bereit. Wir m ü ssen es langsam angehen und ihnen blo ß nicht zu viel auf einmal vor die F üß e kippen.« Er atmete tief durch, und ich tat es ihm nach, und dann gingen wir langsam auf das Haus zu und traten auf die Veranda.
    Die Haust ü r bestand aus massiver, fein gemaserter Eiche und blasigem Kathedralenglas. Das Holz – mit handgeschnitzten Bl ä ttern und Weintrauben – war sorgf ä ltig abgebeizt und aufgearbeitet und hatte einen gl ä nzenden, goldenen Ton. Hinter den Scheiben hing innen ein Vorhang aus wei ß er Spitze, der dicht genug war, um Privatsph ä re zu gew ä hren, aber so hauchd ü nn, dass er sehr viel Licht einlie ß . Die Klingel war, wie die T ü r, sicher noch das Original: ein Knopf, ä hnlich

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