Bis auf die Knochen
zweimal. Damit war das Taschentuch v ö llig durchn ä sst, und ich reichte ihr auch noch meins. Sie wiederholte das Man ö ver, besah sich die Sauerei, die sie mit beiden Taschent ü chern angestellt hatte, und stie ß ein verlegenes Lachen aus. Dann atmete sie mehrmals tief durch, als w ä re sie gerade tausend Meter gelaufen. » Ich habe mir … diese Szene … tausendmal vorgestellt «, brachte sie heraus. » Auf tausenderlei verschiedene Arten. Habe davon getr ä umt, Tag und Nacht. Daf ü r gelebt, wo ich mich an nichts anderes klammern konnte, f ü r das ich leben wollte. Daf ü r gebetet.«
» Ja, Madam «, sagte Art. » Das kann ich mir vorstellen.«
» Ich habe es so oft durchgespielt. Warum f ü hlt es sich trotzdem so an, als w ü rde mir das Innerste nach au ß en gekehrt? «
» Weil es so ist «, sagte er. » Diesmal ist es kein Traum und keine Phantasie.«
» Gott, wir haben so hart daran gearbeitet, all das hinter uns zu lassen «, sagte sie. » Monatelange Therapie. F ü r Joey. F ü r Bobby. F ü r mich. F ü r mich und Bobby zusammen. F ü r uns alle drei zusammen. Der Missbrauch h ä tte uns fast umgebracht; jetzt treibt die Genesung uns in den Bankrott.«
» Ich verstehe «, sagte Art. » Es tut mir leid. Ich wei ß , dass es kein gro ß er Trost ist, aber dieser Fall – Joeys Fall – hat uns angespornt, noch h ä rter und mit mehr Finesse daran zu arbeiten, Kerle wie Craig Willis zu schnappen. Wir haben eine neue Spezialeinheit gegr ü ndet, um Leute dingfest zu machen, die das Internet benutzen, um Kinder zu k ö dern oder Kinderpornografie zu vertreiben. Wenn wir sie im Cyberspace fangen, k ö nnen wir sie vor ein Bundesgericht bringen. Es ist bislang nur ein kleines Programm, aber es wird noch gr öß er werden. Und wir sind gerade dabei, mehrere dieser M ä nner einzukreisen.«
Sie wirkte sowohl beunruhigt als auch dankbar, das zu h ö ren.
Art schaute auf seine Uhr. » Es ist jetzt kurz vor drei «, sagte er. » Wann kommt Ihr Mann von der Arbeit nach Hause? «
» Wahrscheinlich nicht vor sieben, acht Uhr. Er macht viele Ü berstunden – um die Rechnungen f ü r die Therapien bezahlen zu k ö nnen.«
» Sollen wir heute Abend wiederkommen und es ihm erz ä hlen? «
Sie sch ü ttelte den Kopf. » Nein «, sagte sie. » Es wird ihn arg mitnehmen – genau wie mich –, und es w ä re nicht leicht f ü r ihn, wenn Sie dabei sind. Wenn ich es ihm sage, kann ich ihn dabei halten, und vielleicht macht es das leichter f ü r ihn. Irgendwie ertr ä glicher.« Sie l ä chelte leicht. »Er ist ein ziemlich m ä nnlicher Mann «, f ü gte sie hinzu. » Er w ü rde Ihnen wom ö glich eine verpassen, wenn Sie es ihm erz ä hlten. Bei mir kann er stattdessen vielleicht weinen.«
Art erwiderte ihr L ä cheln. » Klingt, als w ä re er mit einer klugen Frau mit einem gro ß en Herzen verheiratet.«
Bei diesen Worten traten ihr wieder Tr ä nen in die Augen. » Wenn das Klugheit ist, dann w ü rde ich Dummheit jederzeit vorziehen.« Pl ö tzlich runzelte sie die Stirn. » Joey kommt um Viertel nach drei von der Schule nach Hause «, sagte sie.
Art stand auf. » Wir wollten gerade gehen.«
Sie wirkte erleichtert und dankbar. » Er erkennt einen Polizisten auf hundert Meter «, sagte sie. » Ich f ü rchte, er bek ä me richtig Angst, wenn er Sie hier sehen w ü rde. Ich rufe seinen Therapeuten an und frage ihn, wie viel wir ihm sagen sollen und wann.«
» Vergessen Sie nicht «, sagte Art, » es steht wahrscheinlich morgen schon in der Zeitung. Wenn Sie es ihm also nicht bald sagen, erf ä hrt er es wom ö glich von woanders.«
» Verdammt «, sagte sie. » Ich glaube, wir m ü ssen heute Abend zu einer dringenden Therapiesitzung.«
» Ich wei ß , es ist nicht leicht «, sagte Art, » aber ich denke, Sie tun das Richtige.« Er sah sich im Raum um. » Das ist ein bisschen so, wie ein altes Haus in Schuss zu bringen, das ein hartes Leben hatte. Man schuftet einfach immer weiter, nimmt sich ein Zimmer nach dem anderen vor, ein Problem nach dem anderen.«
» Ja «, sagte sie. » Schuften. Das tun wir.«
Sie brachte uns zur T ü r. Ich hielt ihr die Hand hin, und sie nahm sie in beide H ä nde und dr ü ckte sie warm. Art streckte die Arme aus, und sie lie ß sich von ihm einen Augenblick umarmen, bevor sie uns auf die Veranda und die Stufen hinunter scheuchte.
An der n ä chsten Stra ß enecke kam uns ein Schulbus entgegen, bremste und schaltete die Warnblinkanlage ein. Drei Kinder –
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