Bis aufs Messer
und Sandy nahm den Knebel wieder
heraus.
»Meiner
Ansicht nach«, sagte ich, »braucht Ihr Vater in erster Linie und hauptsächlich
Schutz vor Ihnen.«
»Sie
sind ein Idiot, Holman «, sagte sie giftig. »Wenn Sie
auch nur einen Zentimeter weit über Ihre eigene Nase hinaussehen könnten, wäre
Ihnen klar, daß mein Vater ein kleines Kind ist, was andere Leute anbetrifft.
Sehen Sie doch, wie seine Ehe kaputtging; sehen Sie doch, wie alles um ihn
herum ihn belügt, betrügt und ihm fast ins Gesicht lacht — und er merkt es
niemals. Wie, glauben Sie, wird ihm zumute sein, wenn er über alle die Leute
die Wahrheit herausfindet? Was, glauben Sie, wird dann in ihm vorgehen?«
»Und
Sie — seine eigene Tochter — lügt und betrügt vielleicht am allermeisten?«
knurrte ich. »Sie haben Angst, er könnte herausfinden, daß Sie und Pete noch
immer eng befreundet sind. — Oder vielleicht haben Sie sogar noch mehr Angst
davor, er könnte dahinterkommen, daß Sie beide Jackie Lorraines Hinauswurf
arrangiert haben?«
»Sie
sind meilenweit auf dem Holzweg!« fuhr sie mich an. »Es war Jackie, die Pete in
dieser Nacht verführt hat, nachdem sie mich mit einem vorgetäuschten Anruf aus
dem Restaurant, in dem sich Daddy an jenem Abend aufhielt, dorthin gelockt
hatte.«
»Entweder
stecken Sie und Pete hinter der Erpressungsaktion oder Sie wollen aus
irgendeinem unerforschlichen Grund, daß diese Aktion Erfolg hat«, sagte ich
beharrlich.
»Sie
aufdringlicher Trottel!« Sie schloß für ein paar Sekunden zutiefst enttäuscht
die Augen. »Wenn Sie heute abend den Dingen ihren
Lauf gelassen hätten, wäre jetzt alles in bester Ordnung. Pete hätte aus Jackie
Lorraine ein Geständnis herausgeholt, daß sie hinter dem Erpressungsmanöver
steckt, und Sie hätten ein fettes Honorar von Daddy kassiert. Aber nein, Sie
müssen am Telefon den Gerissenen spielen! Nun, eins springt bei der Sache
jedenfalls heraus. Es wird mir ein Riesenvergnügen bereiten, wenn ich in ein
paar Minuten zusehen kann, wie Pete Sie auseinandernimmt!«
»Das
Vergnügen ist für alle vorbei, einschließlich für Sie, Kleopatra«, knurrte ich.
»Erinnern Sie sich an Helen Christie?«
»An
wen?« Ihre Augen weiteten sich in kindlicher Unschuld.
»Die
Stückedoktorin, die Ihr Vater geholt hat, damit sie seinen dritten Akt in
Ordnung bringt«, brummte ich.
»Wer
hat Ihnen von Helen Christie erzählt!« Sie erstickte beinahe an den Worten. »Es
war ein Geheimnis — alle wußten das! Vor allem — wer hat es Ihnen erzählt?«
»Das
spielt im Augenblick keine Rolle«, sagte ich. »Jemand hat ihr gestern nacht eine Kugel durch den Kopf geschossen, und
jemand hat den Vertrag gestohlen, den Ihr Vater mit ihr gemacht hatte — und in
dem stand, daß sie für die Arbeit an seinem Stück ein Honorar bekam.«
Sie
wurde für einen Augenblick blaß unter der kupferfarbenen Haut. Dann ließ sie
den Kopf auf die Couch zurückfallen und schloß die Augen. »Sie lügen mich doch
nicht an, Holman — nicht bei so etwas?« flüsterte
sie. »Helen Christie ermordet — wirklich?«
»Wirklich.«
»Dann
ist es zu spät«, flüsterte sie.
»Wofür
zu spät?«
»Es
ist einfach zu spät.« Sie öffnete die Augen wieder. Sie hatten einen düsteren
Ausdruck. »Sie haben recht, das Vergnügen ist für alle vorbei. Wenn Sie mich
jetzt losbinden...«
Jemand
schlug einen donnernden Wirbel gegen die Haustür, und Sandy blickte mich mit
erhobenen Brauen an.
»Ich
glaube, Sie können Sie losbinden, während ich mit Pete verhandle«, sagte ich zu
ihr.
»Glauben
Sie, daß Sie mit ihm fertig werden, Rick?« fragte sie nervös.
»Wenn
Sie mich schreien hören, dann wissen Sie, daß ich nicht mit ihm fertig geworden
bin«, sagte ich in bitterem Ton.
»Was
soll ich dann tun?« Ihre Stimme klang ernsthaft besorgt, was meiner Eitelkeit
eine große Beule zufügte.
»Springen
Sie aus dem nächsten Fenster. — Was sonst?« knurrte ich.
Das
Getrommel draußen begann erneut, als ich die Eingangsdiele erreicht hatte; und
es klang, als ob er das ganze verdammte Haus zusammenschlagen wollte. Ich blieb
ein kleines Stück weit von der Tür entfernt stehen, nahm die Achtunddreißiger aus der Halfter, hielt sie vor mich hin
und öffnete mit der Linken die Tür. Sie sprang auf, und der rächende Reiner kam
hereingestürzt wie ein Gladiator, der verspätet in der Arena eintrifft und sich
ernsthafte Sorge macht, es könnten keine Löwen mehr übrig sein. Ich senkte die Achtunddreißiger ein wenig,
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