Bis das Blut gefriert
wusste mir keinen anderen Rat mehr.«
»Da hast du das Richtige getan«, lobte Ignatius sie. »Aber sag mir, wovor hast du Angst?«
»Vor dem Blut.« Ihre Gesicht wurde bleich. »Vor dem Blut in unserem Haus, das aus dem Boden quoll. Und da war auch noch der Brunnen, der...«
Sie wollte alles erzählen, was auch wichtig war, doch Ignatius stoppte sie. »Bitte, Rosanna, wenn du schon redest, dann erzähle alles der Reihe nach. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, seine Gedanken zu sammeln, aber das ist wichtig. Nimm dir etwas Zeit, und dann tu uns den Gefallen und beginne von vorn.«
Die behutsam gesprochenen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Rosanna riss sich tatsächlich zusammen. Sie sammelte sich, schaute dabei zu Boden und nagte an ihrer Unterlippe.
Uns hatten ihre ersten Worte schon alarmiert. Auch Rosanna hatte dieses Blut-Erlebnis gehabt. Sogar in dem Haus, in dem sie lebte. Da war es aus dem Boden gedrungen. Wie hier aus dem Taufbecken. Ein furchtbares Phänomen.
Es gab auch ein kleines Waschbecken in der Ecke. Auf einer Ablage standen zwei Gläser. Eines füllte Father Ignatius mit Wasser und reichte es Rosanna. Sie bedankte sich, trank, schloss für einen Moment die Augen, um so besser in der Erinnerung zu kramen. Dann fing sie an zu sprechen, und wir hörten zu.
Bill und ich verstanden die italienische Sprache leidlich. So bekamen wir das meiste mit. Rosanna Fabrini berichtete nicht nur von den Erlebnissen des Morgens, nein, sie sprach auch darüber, was sie mit ihrem Freund in der Nacht erlebt hatte. Das war für sie ebenfalls Grauen pur gewesen.
Zwischenfragen stellten Bill und ich nicht. Wenn jemand etwas sagte, dann war es Father Ignatius. Seine ruhige ausgleichende Stimme verfehlte die Wirkung nicht. Rosanna redete weiter, und durch Zwischenfragen lockte unser Freund alles aus ihr heraus.
Schließlich war sie fertig, und auch das Glas hatte sie leer getrunken. Sie schaute uns an. »Bitte, das müssen sie mir alles glauben. Ich habe es wirklich so erlebt, auch wenn Sie es nicht...«
»Wir glauben dir«, sagte Ignatius. »Denn wir wissen ebenfalls darüber Bescheid.«
»Danke.«
»Du wohnst im Ort«, sagte ich. »Und in deinem Haus hast du das Blut aus dem Boden quellen sehen.«
»Ja.«
»Nur dort? Oder auch woanders?«
»Auch an der Kultstätte.«
»Ja, das hast du uns erzählt. Von den Gestalten und auch dem Brunnen. Mich würde interessieren, ob du auch Blut im Dorf gesehen hast. Außerhalb eures Hauses?«
»Nein, habe ich nicht. Ich bin auch gerannt. Ich wollte einfach nur weg.«
Das konnten wir verstehen. Und wir sahen es schon als einen glücklichen Zufall an, dass uns Rosanna Fabrini begegnet war. Es war für sie als auch für uns von Vorteil. Sie brauchte keine zu große Angst mehr zu haben, und wir hatten endlich Informationen erhalten, die uns weiterbrachten. Immer war von der Kultstätte außerhalb des Orts gesprochen worden. Jetzt hatten wir den Beweis erhalten, dass sich genau dort der alte Schrecken des Götzen Charun manifestiert hatte.
Rosanna schien enttäuscht zu sein, weil sie von uns keinen Rat erhalten hatte. »Was... was... soll ich denn jetzt machen?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Das ist ganz einfach. Du gehst wieder zurück ins Dorf und in euer Haus.«
»Nein, Father, nein!«
»Doch, das wirst du.« Er nickte und lächelte. »Aber wir werden dich nicht allein lassen, Rosanna. Wir sind bei dir, und wir schauen uns das Blut einmal an.«
In den folgenden Sekunden sagte sie kein Wort. Dann aber schloss sie die Augen, und der große Stein schien ihr von der Seele gefallen zu sein. Sie war zufrieden, und der starre Ausdruck der Angst verließ ihr Gesicht.
»Wann wollen wir denn gehen?«, fragte sie.
»Jetzt. Und du brauchst nicht zu laufen. Wir werden dich in unserem Wagen mitnehmen.«
Rosanna war zufrieden. Sie verließ mit Father Ignatius zusammen die Sakristei. Bill und ich folgten den beiden. Rosanna blieb dicht bei dem Mönch, als würde seine Nähe ihr den Schutz geben, den sie brauchte.
»Was ist mit dem Pfarrer?«, fragte mich Bill leise.
»Wir müssen ihn solange im Schrank lassen. Die Kollegen sollen ihn später abholen.«
»Gut. Dann bin ich auf die Zukunft gespannt...
***
Zum ersten Mal erlebten wir das Bergdorf Limano und mussten zugeben, dass es nicht eben ein Paradies für Autofahrer war. Wer da durch die engen, auf- und absteigenden Gassen fuhr, hatte Mühe, keine Hauswände zu touchieren.
Malerisch, romantisch, pittoresk, so
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