Bis das Blut gefriert
mit ebenfalls unsichereren Schritten ein Gelände durchquert.
Erst wenn sie die Höhe des Altars erreicht hatte, würden wir sie sehen können. Noch war das nicht der Fall, und zunächst verstummten auch die Schritte. Dafür vernahmen wir das heftige Atmen. Es glich schon einem Keuchen. Die junge Frau musste ziemlich außer Puste sein.
Sie war stehen geblieben und rief den Namen des Pfarrers mit halblauter Stimme. Als sie keine Antwort erhielt, steigerte sie die Kraft der Stimme, und es schwang Angst darin.
»Bitte, wenn Sie da sind, melden Sie sich, Monsignore! Ich bin es. Rosanna Fabrini. Ich muss mit Ihnen reden. Es ist wichtig. Ich habe sonst keinen und weiß mir auch keinen Rat. Bitte, Monsignore. Gerade heute müssen Sie hier sein. Dio, ich kann doch nicht allein sein bei all dem Grauen.«
Der letzte Satz hatte uns schon aufgerüttelt. Wenn von Grauen die Rede war, dann konnte es sich um ein bestimmtes handeln. Dann konnte sie Kontakt mit den finsteren Mächten gehabt haben. Ich merkte, wie ich von einem Schauer erfasst wurde. Meinen beiden Freunden erging es ebenso.
Father Ignatius schob sich vor. »Wenn möglich, lass mich zuerst mit ihr sprechen, John.«
»Kannst du gern.«
Er hatte vor, hinzugehen, aber das war nicht nötig, denn Rosanna setzte sich wieder in Bewegung. Dem Echo ihrer Schritte entnahmen wir, dass sie sich der Sakristei näherte. In der Tat erwischte ich einen Blick auf sie. Rosanna war noch jung. Dem Teenie-Alter gerade entwachsen. Sie hatte dunkles Haar, ein schmales Gesicht, und sie zitterte vor Angst. Als hätte sie eine feindliche Welt betreten und keine Kirche.
Obwohl sie sich das neue Ziel selbst ausgesucht hatte, ging sie sehr zögernd. »Sind Sie da, Monsignore? Sind Sie in der Sakristei? Bitte, sagen Sie Bescheid...«
Ignatius drückte mich zur Seite. Er öffnete die Tür nicht weiter. Er wollte nur, wenn sie tatsächlich kam, als erster gesehen werden. Er war ein Mensch, der einfach Vertrauen einflößte. Bill und ich würden sie mehr erschrecken.
Wir sprachen kein Wort mehr. Rosanna näherte sich zögernd der Sakristeitür. Sie musste längst gesehen habe, dass sie offen stand, aber sie wagte nicht, etwas zu sagen, und traute sich auch nicht näher. Wir glaubten nicht, dass sie etwas bemerkt hatte, aber gewisse Dinge sollte man vorsichtig angehen, und das tat Father Ignatius auch.
»Du kannst ruhig kommen, Rosanna«, sagte er mit sehr ruhiger Stimme, die überhaupt keinen Anlass zur Angst gab.
Trotzdem erschreckte Rosanna sich. Wir hörten ihren leisen Aufschrei, doch da hatte Ignatius die Tür bereits aufgezogen und stand vor ihr. »Buon Giorno«, sagte er mit freundlicher Stimme. »Ich denke, dass du hier bei mir richtig bist.«
Rosanna erschrak noch einmal. Diesmal hielt sie einen Schrei zurück und drückte die Hand gegen die Lippen.
»Du musst wirklich keine Angst haben. Ich werde dir nichts tun. Bitte, wir sollten reden.«
Sie ließ ihren Arm sinken. Auf ihrem Gesicht mischten sich noch immer Angst und Erstaunen. »Wer sind Sie? Bitte, Sie sind nicht der Monsignore Camino.«
»Nein, das bin ich nicht. Ich bin Father Ignatius. Sagen wir so, im Moment vertrete ich den Monsignore. Er selbst ist unpässlich. Du kannst mir vertrauen. Mir und meinen Freunden, die ebenfalls hier in der Sakristei warten.« Ignatius öffnete die Tür so weit, damit Rosanna in die Sakristei hineinschauen konnte.
Wir fühlten uns ein wenig unwohl, als wir so angeschaut wurden. Rosanna kam sich etwas verloren vor, denn die fremden Menschen hatte sie hier nicht erwartet.
»Ich denke, dass du uns vertrauen kannst«, sagte Ignatius. »Bitte, komm her.«
Es musste wohl etwas in seinem Blick gelegen haben, der die junge Frau veranlasste, sich zögernd in Bewegung zu setzen. Sie ging wie jemand, der ein unbekanntes Gelände betritt, und schaute immer wieder von einem zum anderen.
Wir ließen die Tür offen, damit sie nicht den Eindruck bekam, eingesperrt zu sein.
Bill und ich sagten ihr unsere Namen. Sie hörte sie, lächelte sogar und schaute Ignatius an. »Komisch«, sagte sie. »Ich habe plötzlich zu Ihnen mehr Vertrauen als zu Monsignore Camino. Ist das nicht komisch?«
»Nein, menschlich. Du scheinst zu spüren, dass du uns dein Vertrauen schenken kannst. Aber wenn ich dich so anschaue, muss ich davon ausgehen, dass du Angst hast.«
Ignatius hatte den richtigen Ton getroffen. »Ja, ja!«, stieß sie hervor. »Ich habe Angst. Deshalb bin ich auch in die Kirche geflüchtet. Ich
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