Bis das der Biss uns scheidet
des Blutvirus immer noch ein bisschen geschwächt. Vor al em wenn ich längere Zeit keinen anständigen Drink mehr gehabt habe. Daher greife ich dankbar nach der kleinen Taschenlampe, die Jareth mir reicht. Trotzdem habe ich im ersten Moment Angst, sie einzuschalten, denn wer weiß, was ich dann zu sehen bekomme. Vor al em wenn es stimmt, dass Ratten hier unten unsere geringste Sorge sein werden.
Aber am Ende sind die Neugier und mein Sinn fürs Praktische größer als meine Angst.
Ich mache die Lampe an und richte sie auf das Geräusch von rauschendem Wasser vor uns – wobei ich bete, dass es tatsächlich nur normales Wasser ist und kein Abwasser oder radioaktiver Schleim.(Kennt man schließlich aus diversen Horrorfilmen.)Der Lichtstrahl fäl t auf eine Betonwand, wo ein kleiner Wasserfall mit relativ sauber aussehendem Wasser (ein Glück) von einem Abflussrohr in ein anderes strömt. Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Das war früher mal ein oberirdischer Wasserlauf, der durch die heutige Canal Street floss«, erklärt Jareth, mein Reiseleiter.
»Er wurde um 1812 zu betoniert und zu New Yorks erstem unterirdischen
Abwasserkanal.« Jareth deutet auf den feuchten, niedrigen Gang, aus dem das Wasser herausströmt. »Gehen wir.«
»Da rein?«, frage ich, beiße mir auf die Unterlippe und bin plötzlich wieder furchtbar nervös. »Durch das Wasser?« Ich meine, okay, es ist zwar kein radioaktiver Schleim, aber trotzdem!
Jareth zieht eine Karte heraus und wirft einen Blick darauf. »Es ist nicht die direkteste Route«, gibt er zu. »Aber zumindest vermeiden wir es so, von Bauarbeitern oder Angestellten der New Yorker U-Bahn gesehen zu werden. Die gehen regelmäßig die Gleise ab.« Er schneidet eine Grimasse. »Eine Verhaftung würde uns kaum helfen, deine Schwester zu retten.«
Was er sagt, klingt leider ziemlich überzeugend, also hole ich tief Luft und mache mich bereit, ins Wasser zu steigen.
Sunny sollte mir besser verdammt dankbar sein für diese Rettungsaktion. So dankbar, dass sie mir für mindestens drei besondere Anlässe ihre Herzkette von Tiffany leiht. Vor allem, da meine brandneuen, nicht al zu wasserdichten Doc-Martens-Stiefel nach diesem kleinen Höhlenforschertrip nie wieder dieselben sein werden. (Ja, ich weiß, man sollte nie neue Stiefel tragen, wenn man zu einem Undercover-Einsatz durch die Kanalisation von New York City aufbricht.
Aber ihr habt Berthas heißes Jägeroutfit nicht gesehen und dieses klamottenbezogene Minderwertigkeitsgefühl durchgemacht.) Und natürlich habe ich jetzt Blasen an den Füßen, aber was macht das schon?
Ich bemühe mich, den Wasserfal zu umgehen, schiebe mich vorsichtig in den schmalen, rechteckigen Tunnel und ziehe den Kopf ein, um nicht gegen die niedrige Decke zu stoßen. Eiskaltes Wasser sprudelt um meine Fußknöchel, als ich mich weiter vorwage und einen großen Bogen um irgendwelche schleimigen violetten Pflanzententakel mache, die von vereinzelten Metal rosten über uns herunterhängen. Radioaktiv oder nicht, das Wasser riecht widerlich und ich versuche, nicht zu tief einzuatmen, während ich mich an der linken Seite des Tunnels orientiere und rostigen, moderbedeckten Rohren ausweiche, die aus dem Beton ragen.
Nach ungefähr dreißig oder vierzig Metern wird der rechteckige Tunnel breiter und die Betonwände weichen einem runden Bogengang aus Ziegeln und Naturstein. Es wäre direkt ganz hübsch hier, wenn es nicht so stinken würde.
»Das ist der ältere Teil der Kanalisation«, erklärt Jareth. »Der Gang wird sich bald gabeln, dann nehmen wir die rechte Abzweigung. Von da an sol te es ein bisschen leichter werden. Oder zumindest trockener.«
»Hört sich gut an.« Ich gehe schnel er und erreiche bald die besagte Gabelung und biege rechts ab. Die gute Nachricht? Der Gang ist nicht nur trockener, die Decke ist auch höher, sodass ich mich aufrichten und meinem schmerzenden Rücken etwas Erholung gönnen kann. Die schlechte Nachricht? Weil hier kein Wasser mehr rauscht, sind meine Ohren in der Lage, seltsame, nicht allzu weit entfernte Quicklaute wahrzunehmen. Ich versuche, sie zu ignorieren, und schreite schnel er voran, durch einen gewundenen Tunnel, der an einer Bretterwand endet. Jareth zieht sein Brecheisen hervor und reißt die Holzbretter ab, sodass ein Zugang sichtbar wird, der in einen U-Bahn-Tunnel zu führen scheint.
Ich werfe einen Blick in beide Richtungen, die Schienen entlang. Ȁh, wir werden hier aber nicht gleich
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