Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

per Anhalter fahren müssen. Ich könnte fahren, wohin ich wollte und wann ich wollte.
    »Ja, aber ein Job bedeutet, dass du dann auch tatsächlich arbeiten müsstest. Ich meine, bist du dir sicher, dass du den ganzen Sommer lang für den Mindestlohn schuften willst?
Es könnte sein … ich weiß nicht, aber es ist möglich, dass du ins Schwitzen kämst oder so.«
    Ich durchwühlte meinen Rucksack nach einem Stück Papier und schrieb die Nummer auf, die auf dem Schild stand. Vielleicht konnte ich den Besitzer ein paar hundert Dollar herunterhandeln. In der Zwischenzeit fügte ich meiner Liste für den Nachmittag das Durchsuchen der Jobangebote hinzu. Ein Job bedeutete Zeit ohne Patch, aber es bedeutete auch ein eigenes Transportmittel. So sehr ich Patch auch liebte, er schien immer beschäftigt zu sein … mit irgendetwas. Was ihn unzuverlässig machte, wenn es ums Mitfahren ging.
    Bei Enzo’s bestellten Vee und ich Eismokkas und scharfe Pecansalate und ließen uns mit unserem Essen an einen Tisch fallen. In den letzten paar Wochen war Enzo’s ausgiebig renoviert worden, um es an das einundzwanzigste Jahrhundert anzupassen, und Coldwater hatte jetzt seine allererste Internetlounge. Und da mein Computer zu Hause bereits sechs Jahre alt war, freute ich mich tatsächlich darüber.
    »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin ferienreif«, sagte Vee und schob ihre Sonnenbrille auf den Kopf. »Noch acht Wochen Spanisch. Das sind mehr Tage, als ich mir vorstellen will. Was wir brauchen, ist Ablenkung. Wir brauchen etwas, das unsere Gedanken von dieser endlos langen, qualitativ hochwertigen Ausbildung ablenkt, die vor uns liegt. Wir müssen shoppen gehen. Portland, wir kommen. Macy’s hat Ausverkauf. Ich brauche Schuhe, ich brauche Kleider, und ich brauche ein neues Parfüm.«
    »Du hast dir gerade erst neue Kleider gekauft. Für zweihundert Dollar. Deine Mutter kriegt eine Hirnblutung, wenn sie den Auszug von ihrer Mastercard bekommt.«
    »Ja, aber ich brauche einen Freund. Und um einen Freund zu kriegen, muss man gut aussehen. Und gut zu riechen schadet auch nicht.«

    Ich biss einen Pfirsichwürfel von meiner Gabel. »Denkst du da an jemanden Bestimmtes?«
    »Um ehrlich zu sein, ja.«
    »Versprich mir nur, es ist nicht Scott Parnell.«
    »Scott wer?«
    Ich lächelte. »Siehst du, jetzt bin ich froh.«
    »Ich weiß nichts von irgendwelchen Scott Parnells, aber der Junge, den ich im Auge habe, ist einfach scharf. Extrem scharf. Schärfer als Patch.« Sie hielt inne. »Nun, vielleicht nicht ganz so scharf. Niemand ist so scharf. Im Ernst, der Rest des Tages ist klar. Ich würde sagen Portland oder Flop.«
    Ich machte den Mund auf, aber sie war schneller: »Ich kenne diesen Blick. Jetzt sagst du mir gleich, dass du schon was vorhast.«
    »Um auf Scott Parnell zurückzukommen: Er hat mal hier gewohnt, als wir fünf waren.«
    Vee sah aus, als würde sie in ihrem Langzeitgedächtnis kramen.
    »Er hat viel in die Hosen gemacht«, bot ich Hilfe an. Vees Augen leuchteten auf. »Scöttchen das Pöttchen? Scotty der Potty?«
    »Er zieht zurück nach Coldwater. Meine Mutter hat ihn heute zum Abendessen eingeladen.«
    »Ich seh schon, wo das hinführt«, sagte Vee und nickte weise. »Das ist ein ›meet cute‹ – so nennt man es, wenn sich im Film die Lebenswege zweier potenzieller romantischer Partner kreuzen. Erinnerst du dich noch, als Desi aus Versehen in die Herrentoilette gegangen ist und dort Ernesto am Urinal überrascht hat?«
    Ich stoppte mit meiner Gabel auf halbem Weg zwischen dem Teller und meinem Mund. »Was?«
    »In ›Corazón‹, der spanischen Soap. Nein? Auch egal.
Deine Mutter will dich mit Scotty dem Potty zusammenbringen. Und zwar pronto.«
    »Nein, das will sie nicht. Sie weiß, dass ich mit Patch zusammen bin.«
    »Dass sie es weiß, heißt noch lange nicht, dass sie glücklich darüber ist. Deine Mutter wird eine Menge Zeit und Mühe investieren, um diese Gleichung von Nora plus Patch gleich Liebe in ein Nora plus Scotty der Potty gleich Liebe umzuwandeln. Und warum auch nicht? Vielleicht ist Scotty der Potty ja zu Scotty der Hotty geworden. Hast du da schon mal dran gedacht?«
    Hatte ich nicht, und ich hatte es auch nicht vor. Ich hatte Patch, und damit war ich vollkommen zufrieden.
    »Können wir uns über etwas ein bisschen Dringenderes unterhalten?«, fragte ich, weil ich fand, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln, bevor sie auf noch wildere Ideen kam. »Wie zum Beispiel darüber, dass