Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
mein neuer Chemielaborpartner Marcie Millar ist?«
»Die Nutte?«
»Sieht aus, als würde sie jetzt im Sekretariat jobben und hätte dabei in Patchs Akte geguckt.«
»Ist die immer noch leer?«
»Scheinbar schon, denn sie will, dass ich ihr alles erzähle, was ich über ihn weiß.« Nicht zuletzt, warum er gestern Abend in ihrer Einfahrt herumgestanden und in ihr Schlafzimmerfenster geguckt hatte. Ich hatte mal gerüchtehalber gehört, dass Marcie einen Tennisschläger in ihr Fenster stellte, wenn sie gegen Bezahlung für gewisse »Dienste« zu haben war, aber da wollte ich jetzt nicht drüber nachdenken. Waren Gerüchte nicht sowieso zu 90 Prozent Fantasie?
Vee beugte sich näher zu mir. »Was weißt du denn eigentlich ?«
Ein unangenehmes Schweigen senkte sich über uns. Ich
mochte keine Geheimnisse zwischen besten Freundinnen. Aber es gibt Geheimnisse … und dann gibt es da noch schwierige Wahrheiten. Beängstigende Wahrheiten. Unvorstellbare Wahrheiten. Einen Freund zu haben, der erst ein gefallener Engel war und dann ein Schutzengel geworden ist, gehört in jedem Fall dazu.
»Du verschweigst mir was«, sagte Vee.
»Tu ich nicht.«
»Tust du doch.«
Hartnäckiges Schweigen.
»Ich habe Patch gesagt, dass ich ihn liebe.«
Vee hielt sich den Mund zu, aber ich konnte nicht ausmachen, ob sie damit ein Stöhnen oder ein Lachen verbarg. Was mich nur noch mehr verunsicherte. War das so lustig? Hatte ich etwas noch viel Dümmeres getan, als ich sowieso schon dachte?
»Was hat er gesagt?«, fragte Vee.
Ich sah sie nur an.
»So schlimm?«, fragte sie.
Ich räusperte mich. »Erzähl mir von diesem Jungen, hinter dem du her bist. Ich meine, ist das ein Fall von Fern-Wollust, oder hast du tatsächlich schon mit ihm gesprochen? «
Vee verstand den Wink. »Mit ihm gesprochen? Ich habe gestern Mittag mit ihm bei Skippy’s Hot Dogs gegessen. Es war eines von diesen Blind-Date-Dingern, und es wurde besser als erwartet. Viel besser. Und damit du’s weißt: Das alles könntest du schon wissen, wenn du meine Anrufe beantwortet hättest, anstatt rund um die Uhr mit deinem Freund zu knutschen.«
»Vee, ich bin deine einzige Freundin, und ich war es nicht, die euch zusammengebracht hat.«
»Ich weiß. Dein Freund hat das getan.«
Ich verschluckte mich an einem Gorgonzolabällchen. »Patch hat euch zu einem Blind Date verabredet?«
»Ja, und?«, fragte Vee, wobei ihr Ton etwas defensiv wurde.
Ich lächelte. »Ich dachte, du traust Patch nicht.«
»Das tue ich auch nicht.«
»Aber?«
»Ich hab versucht, dich vorher anzurufen, damit du mir grünes Licht gibst, aber, nur um es zu wiederholen, du rufst mich ja nicht mehr zurück.«
»Du hast es geschafft. Ich fühl mich wie die schlechteste Freundin der Welt.« Ich lächelte ihr verschwörerisch zu. »Und jetzt erzähl mir den Rest.«
Vees resistenter Ton verschwand, und sie lächelte ebenso verschwörerisch zurück.
»Sein Name ist Rixon, und er ist Ire. Sein Brogue oder wie auch immer man das nennt bringt mich einfach um. Sexyer geht’s nicht. Er ist ein bisschen dünn im Vergleich zu meinem eher kräftigen Knochenbau, aber da ich vorhabe, diesen Sommer zehn Kilo abzunehmen, sollte bis August alles ausgeglichen sein.«
»Rixon? Unmöglich! Ich liebe Rixon!« Im Allgemeinen vertraute ich keinem gefallenen Engel, aber Rixon war eine Ausnahme. Wie bei Patch waren seine moralischen Grenzen irgendwo in einer Grauzone zwischen schwarz und weiß angesiedelt. Er war nicht perfekt, aber er war auch kein ganz schlechter Kerl.
Ich grinste und zeigte mit meiner Gabel auf Vee. »Ich kann nicht glauben, dass du mit ihm ausgegangen bist. Ich meine, schließlich ist er Patchs bester Freund. Du kannst Patch nicht ausstehen.«
Vee sah mich mit ihrem Schwarze-Katze-Blick an, praktisch mit gesträubtem Fell. »Beste Freunde hat nichts zu sagen. Sieh uns beide an. Wir sind total verschieden.«
»Das ist toll. Wir können den ganzen Sommer über zu viert herumhängen.«
»Nichts da. Ich hänge nicht mit deinem abgefahrenen Freund herum. Es ist mir egal, was du erzählst; ich bin mir immer noch sicher, dass er etwas mit Jules mysteriösem Tod in der Turnhalle zu tun hatte.«
Eine dunkle Wolke überschattete plötzlich unsere Unterhaltung. In der Nacht, in der Jules gestorben war, waren nur drei Leute in der Turnhalle gewesen. Und eine davon war ich. Ich hatte Vee nie erzählt, was wirklich geschehen war, nur gerade genug, damit sie aufhörte nachzufragen, und zu ihrer
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