Bis dass der Tod euch scheidet
Wirbel gesorgt. – Aber damit solltest du dich wirklich nicht belasten.“
„Aber …“ Dylan stoppte.
Die Tür öffnete sich wieder, und Tony kam herein. Er schob einen Beistelltisch mit Speisen und Getränken mit sich. Sofort richtete sich Dylan wieder auf. Das Gespräch konnte er im Beisein seines Managers unmöglich fortführen. Als er allerdings die Masse an Lebensmitteln sah, schüttelte er den Kopf.
„Was ist das denn alles? Das ist viel zu viel …“
„Ach!“ Tony winkte ab. „Du musst zu Kräften kommen. Der Chefkoch hat nur das Beste für dich aufgetischt. Genau die richtigen Sachen gegen Liebeskummer: Pancakes mit Ahornsirup, etwas Bruschetta mit Meeresfrüchten, Obstsalat, Putenfilet und Kartoffelgratin, Farfalle mit Zucchini …“ Er sah Dylan erwartungsvoll an. „Was sagst du?“
„Zu viel …“
„Du isst jetzt!“, forderte Tony daraufhin energisch. Er schob den Tisch vors Bett und füllte aus der Karaffe mit Wasser ein Glas voll ein. „Es reicht ja wohl, dass wir uns nach jeder Tournee mit deiner verkorksten Leber befassen müssen. Da will ich mich nicht auch noch mit Untergewicht beschäftigen.“ Er befüllte Dylan einen Teller und stellte den vor ihm auf die Bettdecke.
Dylan sagte nichts mehr. Widerwillig begann er zu essen. Dabei fiel sein Blick auf die Armstulpe. Ob er sie jemals abnehmen könnte, ohne dass das Tattoo, was sich darunter befand, einen schmerzlichen Stich in seinem Herzen auslösen würde?
Die Tournee war zu Ende. Schon seit ein paar Tagen befanden sie sich wieder in England, doch dass sich Dylan von seinem Zusammenbruch erholt hatte, konnte man nicht wirklich behaupten.
Weitere Pressetermine wurden abgesagt, was bei den Journalisten und Fans abermals für Unruhe sorgte. Ihr Bungalow wurde tagtäglich umlagert von Schaulustigen.
Allein Tony stellte sich einigen Fragen. „Dylan Perk sei einfach nur sehr erschöpft von der Tournee, es sei nichts Schlimmes“, versicherte er den besorgten Mitmenschen.
Carol machte hingegen jeden Tag einen „Krankenbesuch“, sie sprach mit Dylan, versuchte ihn emotional zu stärken, doch auch jeden Tag musste sie kopfschüttelnd vor Tony treten und resignierend die erschütternde Wahrheit verkünden:
„Er lässt sich gehen, seine Genesung stagniert.“
Die Ärztin drückte Tony eine Packung Tabletten in die Hand. „Psychopharmaka – was Leichtes. Die kann er ein paar Tage nehmen. Anders weiß ich mir auch nicht mehr zu helfen. Er igelt sich ein!“ Ihre Stimme klang fast erbost. „Das ist unglaublich!“
Fragend sah sie Tony an. Auch er war inzwischen am Ende seiner Weisheit angelangt.
„Sein Verhalten macht mich wahnsinnig“, gestand er, dabei fuhr er sich durch sein dichtes Haar, welches wie immer zu einem Zopf gebunden war. Sein Gesicht war kantiger geworden, das fiel Carol bei ihrer genaueren Betrachtung auf. Auch an dem Manager von RACE war der Tourstress nicht unbemerkt vorübergezogen.
Er gab ihm noch zwei Tage, doch die reichten nicht aus, um Dylan wieder in den gewohnten Tagesablauf zu integrieren. Am dritten Tag hatte Tony kein Nachsehen mehr.
„Bist du heute überhaupt schon aufgestanden?“, fragte er, während er die tägliche Ration Tabletten auf den Beistelltisch stellte. Ab morgen ist Schluss damit, dachte er still bei sich.
„Doch, ich habe geduscht …“
Tony holte tief Luft, als wolle er heftig protestieren, doch stattdessen atmete er nur geräuschvoll aus. Vorsichtig trat er ans Bett, dann setzte er sich zu Dylan auf die Matratze.
Liebevoll fasste er ihm in den Nacken und massierte ihn dort.
„Hey, so kann das nicht weitergehen. Seit Tagen verschanzt du dich in deinem Zimmer. Allmählich solltest du mal wieder Routine in den Alltag bekommen.“
Er strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, welches weiterhin starr an die Wand blickte.
„Ich … ich habe komponiert.“ Dylan deutete kurz zum Nachtschrank, auf dem einige Zettel mit krakeligen Aufzeichnungen lagen. Vielleicht ein kläglicher Verteidigungsversuch? Tony nahm sie in die Hand und studierte sie gründlich.
„Das ist erfreulich“, sagte er knapp. Dylans unpässliches Verhalten entschuldigte es allerdings nicht. „Heute Abend kommt Julia mit Fotos.“ Tony erhob sich wieder. „Es wäre nett, wenn du dich zu uns gesellen könntest, bitte.“
„Mal sehn …“
„Nichts mal sehn, du machst das!“, befahl Tony. Er hielt einen Moment inne, dann sprach er aus, was ihm schon seit Tagen auf dem Herzen lag.
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