Bis du erwachst
Er nahm nun aktiv teil am Bürogeschehenund stand nicht nur stumm herum. Wenn Millie erst dort anfing, würde es noch viel besser werden.
Er ging ins Büro seines Chefs. Der betrachtete ihn skeptisch, nachdem Michael gesagt hatte, was er zu sagen hatte. «Sind Sie sich da ganz sicher, Michael?»
«Ja, ganz sicher. Definitiv.»
Sein Chef kratzte sich am Kinn; vielleicht hatte er gedacht, dass er diesen Tag nie erleben würde. Aber er hatte sich nicht verhört: Michael wollte mehr Verantwortung. Er hatte gesagt, dass er bereit dazu war.
«Ich würde gern ein eigenes Projekt übernehmen.» Bisher hatte Michael seinen Chef nie aufgesucht. Es hatte sich immer so angefühlt, als würde er vor den Rektor in der Schule gezerrt.
«Okay, Michael. Ich schaue mal, welche Projekte gerade anstehen, dann sprechen wir uns wieder, ja?»
Michael war zufrieden mit dem Gespräch. Er wollte ab sofort alles nur noch mit Leidenschaft angehen, und das sollte auch für die Arbeit gelten.
Er lächelte, als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte. Beinahe stolzierte er. Bestimmt wirkte er wie ein Trottel, aber das war ihm egal.
Cara kam zu dem Schluss, dass Michael in einigen Punkten recht gehabt hatte, als sie sich im Park über den Weg gelaufen waren. Die Bemerkung, dass man
leben sollte, statt jeden Tag nur als eine Gelegenheit für noch mehr Arbeit zu betrachten
, hatte sie sehr berührt.
Natürlich hatte er es nicht genau so ausgedrückt, aber so hatte sie es verstanden. Sie hatte jemand anderen für ihren Thekendienst in der Bar eingeteilt und sich mit Ade inihrem Lieblingsrestaurant verabredet. Ohne ihn fühlte sie sich ganz elend, sie brauchte ihn, und dasselbe galt doch bestimmt auch für ihn. Das hoffte sie zumindest. Sie würde es nicht ertragen, wenn er sich auch ohne sie wohlfühlte. Wenn er froh wäre über das Essen, das seine Mum ihm kochte, während sie nur Sachen vom Imbiss oder Angebranntes auf den Tisch brachte (es sei denn, er kochte), froh über die täglich frische Wäsche, die seine Mutter für ihn besorgte, während sie seine weißen Boxershorts aus Versehen mit der Buntwäsche wusch. Sie hoffte, dass Ade das alles nicht so wichtig war, dass er sie immer noch liebte, gerade
weil
sie so war, wie sie war.
Sie schauderte, als sie daran dachte, dass Eliza gerade die Verantwortung für ihre Bar trug, aber letztlich war ihre Beziehung wirklich wichtiger als ein zerbrochenes Glas, eine zerbrochene Flasche oder … Cara schob den Gedanken energisch beiseite, bevor sie es sich anders überlegte und in die Bar zurückkehrte.
Zu Hause begann sie mit einem Körperpeeling und einer Dusche. Ihre Nägel waren, dank der wöchentlichen Maniküre bei Monique’s, wie immer makellos. Auch ihre Zehennägel waren gepflegt, aber sie ging schnell noch einmal mit der Nagelfeile darüber. Sie schwankte zwischen verschiedenen Outfits. Sollte sie den schwarzen Satinrock anziehen, auf den Ade so stand, oder den engen grauen, der zusammen mit der weißen Bluse so gut an ihr aussah, oder das enge schwarze Kleid von Karen Millen, das man eigentlich nicht tragen sollte, wenn man vorhatte, etwas zu essen, weil es um die Bauchgegend herum nicht sonderlich schmeichelhaft geschnitten war? Schließlich entschied sie sich für ein blau schimmerndes ärmelloses Kleid und ein Paar hochhackigerSchuhe und trug ihr Lieblingslipgloss von Mac auf. Sie bewunderte sich im Spiegel; sie sah wirklich gut aus. Der Concealer verbarg die dunklen Augenringe. Sie hatte erkannt, dass sie ohne Ade einfach nicht schlafen konnte.
Voll Hoffnung ging Cara zum Bahnhof. Den Wagen wollte sie nicht nehmen, weil sie vorhatte, wenigstens ein Glas Sekt zu trinken. Vielleicht gäbe es ja etwas zu feiern. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wann sie sich zum letzten Mal außerhalb der Wohnung und der Bar getroffen hatten, doch es fiel ihr nicht ein. Selbst am Valentinstag, an dem Tag, an dem jeder, der in einer Beziehung lebte, mit etwas Schönem rechnen durfte, hatten sie nur einen eiligen Lunch hinuntergeschlungen und sich dann darauf vorbereitet, eine Bar voller Liebespaare zu bedienen, die vergessen hatten zu reservieren.
Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, sah sie auf die Uhr. Der Tisch war für acht Uhr bestellt. Ade – pünktlich, wie er war – würde schon eine Viertelstunde vor der Zeit da sein. Sie wandte sich zur U-Bahn . Gerade als sie die Rolltreppe betreten wollte, versperrte ihr ein kleines Mädchen den Weg.
«Entschuldige bitte», sagte sie. Ein
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