Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Pfeife, die aus einer Miniwhiskyflasche, Kaugummi, einem Gummiband und Alufolie gemacht ist. Er drückt die Asche in der Pfeife an und bastelt das Crack obendrauf.
Er gibt Nadia ein Zeichen. Sie lässt sich auf die Knie fallen wie ein Hund, der um Futter bettelt. Sie ist süchtig. Unerreichbar. Hörig.
Sami will sie anschreien. Er hebt seine Füße ein paar Zentimeter vom Boden und stampft auf, lässt den Stuhl hüpfen.
Nadia dreht sich um. Sami bittet sie mit seinen Augen.
»Ich muss es tun«, sagt sie.
Sami stampft wieder mit den Füßen.
Puffa lacht. »Sie liebt dich nicht mehr, Mon. Sie liebt den Stein. Sie liebt den Mann mit den Steinen.«
Sami versucht, sich aus dem Stuhl zu wuchten. Die Fesseln halten ihn zurück.
» G anz ruhig, Bruder, reg dich ab«, sagt Puffa, wobei er Nadia die Pfeife entgegenhält und das Feuerzeug anklickt. Ein blubberndes, prasselndes Geräusch erfüllt das Zimmer, und Rauch, weiß wie Baumwolle, ist im Glas gefangen.
Nadia inhaliert. Ihre Backen blasen sich auf. Ihre Augen gehen zu. Ihr Kopf rollt in den Nacken. Sie versucht, den Rauch im Mund zu behalten und ihn dann nach und nach zu schlucken, ihn eine Minute oder länger in ihren Lungen zu halten, bis es scheint, als würde sie ohnmächtig, wenn sie nicht bald ausatmet.
Nadia sieht Sami an und lächelt. Nicht ihr normales, schönes, strahlendes Lächeln. Es ist eine chemische Reaktion. Opiatbedingt. Ihr Pupillen sind geweitet. Ihre Hände zucken. Sie ist selig. Ekstatisch. Sie ist weg. Woanders.
Puffa kichert. »Sie steht ganz schön auf das Zeug.«
Samis Kopf dreht sich. Der Schmerz macht es schwierig, Fragen zu formulieren, von Antworten ganz zu schweigen. Er kann sehen, wie Nadias Halsschlagader pocht und wie ihre Nasenflügel beben.
Sie kommt langsam herunter. Es ist nicht, wie wenn man von einer Klippe fällt. Es ist, als wären die Mauern des Paradieses nichts als Fassaden aus Stuck und dahinter lägen Hässlichkeit, Angst und Verzweiflung …
»Der Teufel schafft es jedes Mal«, sagt Puffa. »Er legt dich rein. Macht dich glauben, du wärst im Himmel, aber wenn du unterschrieben hast, wenn du den Eid geleistet hast, wenn du deine Seele verkauft hast, dann zeigt er dir das Höllentor und sagt: ›Glaub nicht, was in der Werbung steht, Mon.‹«
Nadia zerkratzt die Haut auf ihren Armen und wimmert wie ein verängstigtes Kind im größten, dunkelsten, verwunschenen Haus, das man sich vorstellen kann.
Sami sieht Puffa an. Bittet ihn mit den Augen. Er muss ihr etwas geben, damit es ihr besser geht.
Puffa holt eine Tablette aus der Tasche. »Das ist Valium«, erklärt er. »Das wird ihr helfen runterzukommen.«
Puffa packt einen Schokoriegel aus und beißt hinein. Seine Augen haben einen flüssigen Glanz, als er Nadia ansieht, stolz, als wäre sein Meisterwerk hiermit vollbracht.
Zehn Minuten später ist sie ruhig.
»Ich brauche noch eine Pfeife«, sagt sie.
»Ich habe keinen Stein mehr.«
»Aber ich brauch noch was, Baby.«
»Vielleicht ist mir ja was runtergefallen.«
Nadia zögert nicht. Sie geht auf Hände und Füße, sucht nach Crackkrümeln auf dem fleckigen Teppich und zwischen den Dielenbrettern, versucht, die Holzbretter mit den Fingernägeln auseinanderzudrücken. Das ist nicht mehr Samis Schwester. Nicht die, an die er sich erinnert. Sie ist ein Geist. Eine Cracknutte.
Der Luftdruck verändert sich leicht. Eine Tür wurde geöffnet, und jemand steht hinter Sami. Puffa lächelt nicht mehr. Er macht den Mund auf, um etwas zu sagen, aber es kommen keine Worte heraus, weil eine Faust seine Kehle umklammert und versucht, seine Halsweite zu verkleinern.
Puffa scharrt mit den Zehen, bekommt jedoch keine Bodenhaftung. Wer auch immer ihn an der Kehle hat, »führt« ihn aus dem Zimmer. In der Zwischenzeit hat Nadia aufgehört, nach Crack zu suchen und sich in der Ecke zusammengekauert. Sie wiegt sich sanft hin und her, versucht, sich klein zu machen.
Sami ruft, aber der Knebel dämpft seine Stimme. Er will, dass Nadia ihn losbindet. Sie können entkommen. Er hüpft auf dem Stuhl herum und fällt beinah hintenüber.
Hinter ihm bewegt sich jemand, und eine Stimme flüstert, spricht jede Silbe deutlich mit schottischem Akzent.
»Sie werden jetzt auf eine kleine Reise gehen, Mr Macbeth. Nicht dieselbe Art Reise wie Ihre Schwester. Wehren Sie sich nicht, und Sie werden nicht zu Schaden kommen.«
Sami fängt den Hauch des Rasierwassers auf und erinnert sich, es in Tony Murphys Restaurant schon einmal
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