Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Barmann
Sami nickt.
»Das hier geht auf mich.« Der Barmann hält ihm noch ein Bier hin. Dann zeigt er auf den Fernseher. »Sie haben Glück gehabt. Es heißt, man soll erst mal abwarten. Viel mehr kann man ohnehin nicht tun. Züge und Busse fahren nicht.«
Sami sieht zum Telefon hinüber. Es kann nicht mehr lange dauern. Die Frau vor ihm sucht nach Kleingeld. »Sie können zuerst«, sagt sie. »Ich habe schon mit meinem Mann gesprochen.«
Sami nickt ein Dankeschön. Dreht ihr den Rücken zu. Tippt die Nummer ein, die Dessie ihm gegeben hat. Der Anruf wird umgeleitet. Jemand hebt ab. Sagt nichts.
»Ist das Mr Murphy?«
»Er ist beschäftigt.«
»Sagen Sie ihm, es ist Sami Macbeth und dass es ein Problem gegeben hat.«
»Was für ein Problem?«
»Dessie hat es nicht geschafft.«
»Sie haben ihn geschnappt?«
»Er ist in die Luft geflogen.«
Stille. Sami wartet.
Murphy geht dran. »Ist das eine sichere Verbindung?«
»Ja.«
»Was ist passiert?«
»Dessie hat sich in der U-Bahn in die Luft gejagt.«
»Wie?«
»Er muss die Tasche fallen gelassen haben oder draufgetreten sein.«
»Wo bist du jetzt?«
»In einer Bar in Soho, sie heißt Crooked Surgeon.« Sami sieht über die Schulter. »Die Straßen sind voller Bullen.«
»Verschwinde von da.«
»Das kann ich nicht. Ich glaube, die suchen mich.«
Sami erzählt die Geschichte schnell, flüstert eindringlich. Als er fertig ist, entsteht eine lange Pause. Murphy versucht nachzudenken.
»Das mit Dessie tut mir leid«, sagt Sami. »Er war Ihnen sehr ergeben.«
»Ja, das war er«, sagt Murphy. »Treue ist eine bewundernswerte Eigenschaft, aber jetzt hilft sie mir nicht weiter.«
Wie kann er nur so gleichgültig und kalt sein, denkt Sami.
»Was ist mit dem Zeug?«
»Das habe ich.«
»Die Knarre?«
»Ja.«
Murphy fängt an, Fragen zu stellen, redet langsam und ernsthaft, als wäre jede Antwort tausend Pfund wert.
»Lass die Knarre verschwinden.«
»Was meinen Sie damit?«
»Schaff das verdammte Teil weg. Sorg dafür, dass es niemals gefunden wird.«
»Wie?«
»Wirf es in den Fluss … in einen Gully. Oder noch besser, nimm es auseinander und wirf die Teile einzeln weg.«
»Es ist ein Beweisstück.«
»Ja und?«
»Sie haben nichts davon gesagt, dass Ray Garza etwas mit der Sache zu tun hat.«
»Vergiss Ray Garza. Wirf die Knarre weg.«
»Und was mach ich dann? Sie müssen mir helfen.«
Murphy überlegt einen Moment.
»Schon gut. Schon gut. Bleib in Deckung. Ich schicke dir Sindbad.«
Klasse, gute Idee, denkt Sami. Der Scheißkerl hat uns schon mal hängen lassen. Er spricht es nicht aus.
Murphy legt auf.
Ich muss abwarten, denkt Sami. Meinen Puls fühlen. Tief durchatmen. Hilfe ist unterwegs.
22
Der Chef des Antiterrorkommandos bei Scotland Yard, Commander Bob Piper, hatte schon immer Probleme mit seiner Körpergröße. 1,68 reichen einfach nicht für einen Mann mit seinen Erfolgen und Ambitionen. Er verdient noch mindestens zwanzig zusätzliche Zentimeter, vielleicht sogar noch mehr.
Er öffnet seinen Spind und hält einen Moment inne, um dessen Sauberkeit und Ordnung zu würdigen. Sein Blick bleibt an den Stiefeln hängen, die zu einem schwarzen Glanz geputzt und poliert worden sind, der das Licht in den Wölbungen fängt. Die Spitzen sind mit Stahl verstärkt, die Sohlen aus feuerbeständigem Gummi. Es sind grobe Stiefel. Arbeitsstiefel.
Vorsichtig nimmt Piper seinen Overall vom oberen Regal und legt ihn neben sich auf die Bank. Die Stiefel kommen zuletzt dran. Als sie dann geschnürt sind – fest geschnürt mit einem Doppelknoten –, wippt er auf den Ballen, um ihren Sitz zu prüfen.
Zwei Bomben sind im West End hochgegangen – eine im Old Bailey und die andere auf der Central Line bei Oxford Circus. Die zweite ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Selbstmordattentäter gezündet worden.
Obwohl sich Bob Piper keine Terroranschläge wünscht (nicht so wie manche Feuerwehrleute, die einen Ständer kriegen, wenn sie ein brennendes Gebäude sehen), ist er ein Mann, der sich einer Situation wie dieser gewachsen zeigt. Der rechte Mann zur rechten Stunde. Eine Terrorwarnung im großen Stil ist in London ausgerufen worden. Code Red.
Das ist es, wofür er ausgebildet worden ist – im Feld, auf dem Schießstand, in Kostümproben und Simulationen. Er hat vier Monate in Quantico verbracht, dem Trainingszentrum des FBI in Virginia. Und zwei Monate beim Mossad in Israel.
Bob Piper zwinkert sich selbst im
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