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Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Titel: Bis du stirbst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Tweed-Hut guckt sein Bein an, als gehöre es zu jemand anderem. Blut ergießt sich aus einer klaffenden Wunde über seinen Knöchel.
    »Sie sollten sich hinsetzen«, sagt Sami zu ihm. »Ich binde ihnen das ab.«
    Der Mann sieht Sami an und dann wieder auf sein Bein. Immer noch im Schock folgt er den Anweisungen, weil er nicht weiß, was er sonst machen soll.
    Der Rauch hat sich etwas verzogen, und das Atmen fällt leichter.
    Die meisten Schreie kommen aus dem anderen Wagen – dem weiter vorne. Von da, wo Dessie gesessen hat.
    Sami steigt über Leute hinweg und späht durch das zerbrochene Fenster. Das Dach des Wagens ist von der Wucht der Explosion weggepellt worden. Eine Wand ist schwarz und zerfetzt, und ein paar Sitze sind aus den Halterungen gerissen worden.
    Das Gesicht eines Mannes erscheint. Seine Haut ist blutbespritzt. Mit wildem Blick zieht er verzweifelt an der Tür, die von der Explosion verbogen ist und sich nicht mehr als ein paar Zentimeter öffnen lässt. Sami kann Dessie nicht sehen, was komisch ist, schließlich ist er ein großer Mann – schwer zu übersehen. Vor einer Minute war er noch da.
    Plötzlich erkennt er Dessies Hosen und die übergroßen Arbeitsstiefel wieder. Sie liegen zwischen zwei Sitzen auf dem Boden. Dessies obere Hälfte scheint verschwunden zu sein. Sie muss durch die Wucht der Druckwelle aus dem Fenster gesprengt worden sein.
    Sami möchte Mitleid für ihn empfinden, kann aber keine Sympathie aufbringen. Stattdessen wendet er sich ab, geht zurück durch den Wagen, sammelt warme Mäntel ein, Krawatten zum Abbinden, alles, was helfen kann.
    Eine Viertelstunde ist eine lange Zeit, wenn man unter der Erde ist, in einem explodierten Zug mit verängstigten und verletzten Menschen. Man sagt immer wieder Dinge wie: »Sie kommen gleich«, und wundert sich, warum es so lange dauert. Wo sind die Rettungssanitäter? Die Polizei? Der Fahrer muss doch noch am Leben sein – er sollte uns Anweisungen gaben.
    Das Warten ist nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste ist, im nächsten Wagen Menschen um Hilfe rufen zu hören. Er fragt herum, ob jemand Wasser hat, und reicht Flaschen durch das zersplitterte Fenster. Er möchte jedes Mal weinen, wenn er den Wagen ansieht.
    Nach einer langen Zeit verbreitet sich die Nachricht, dass Leute durch den hintersten Wagen aussteigen und durch den Tunnel zurückgehen nach Oxford Circus. Die Leute sind ruhig, geduldig. Es gibt kein Drängen oder Rennen.
    Sami hilft Stephanie und dem Mann im Tweed-Hut dabei, nach hinten zu gehen. Die letzte Stufe muss er sie hinuntertragen. Dieselben beiden Bahnhofspolizisten stehen auf den Gleisen. Einer hat eine Taschenlampe und fordert die Leute auf, brav weiterzugehen.
    Sami fragt nach der Leitschiene. Sie ist abgestellt worden. Er hofft, dass es so bleibt.
    Er nimmt Stephanies Hand und legt den anderen Arm um den Mann in Tweed. Führt sie beide durch den Tunnel in Richtung Haltestelle. Verbogenes Metall, Glas und Plastik liegen auf den Schienen verstreut. Sami erwartet beinahe, Dessies Torso an der Mauer lehnen zu sehen.
    Taschenlampen winken sie weiter.
    Die Sanitäter warten auf dem Bahnsteig, geben Sauerstoff, verbinden Wunden; legen Menschen auf Bahren. Sami steht eine Weile herum, sieht, wie jemand den Mann in Tweed behandelt. Stephanie redet mit einem U-Bahn-Angestellten.
    Ohne sich zu verabschieden, geht Sami die Treppen hoch, an den Drehkreuzen vorbei, durch die Menschenmenge, ins Tageslicht. Es ist eine surreale Erfahrung zu sehen, wie normal die Welt immer noch aussieht. Er geht an den wartenden Krankenwagen und Feuerwehrautos vorbei, die die Oxford Street blockieren. Leute starren ihn wortlos an, ihre Augen fragen: »Wie war es da unten? Was haben Sie gesehen?«
    Mehr Sirenen nähern sich. Sami schnallt die Riemen des Rucksacks enger und biegt in Richtung Argyll Street ab, den Kopf gesenkt, den Blicken ausweichend.
    Er hört Satzfetzen. Die Leute reden von einer Bombe. Terroristen. Die U-Bahn in die Luft gejagt … jemand sagt, da wären noch mehr Bomben. Eine sei im Old Bailey hochgegangen. Fußgänger haben Handys rausgeholt, halten sie in die Luft, schütteln sie oder drücken Knöpfe in der Hoffnung auf ein Signal oder in der Erwartung, dass sie klingeln.
    Sami geht am London Palladium vorbei und Richtung Carnaby Street.
    Dessie ist tot. Was soll er jetzt tun? Murphy anrufen. Er hat kein Handy. Er muss ein Telefon finden. Jetzt ist er in der Carnaby Street angekommen. Er hatte mal eine Freundin, die in

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