Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Sami.
    »Yeah.«
    »Müssen Sie heute noch etwas ausliefern?«
    »Wollte ich, bis die Bomben losgingen.«
    »Wo müssen Sie denn hin?«
    »Shoreditch und dann nach Hause.«
    »Könnten Sie mich mitnehmen?«
    »Sicher, wo wollen Sie denn hin?«
    »Einfach nur weg von hier.«
    Der Fahrer nimmt die nächste Rippe in Angriff. »Kann aber noch ein Weilchen dauern.«
    Lucy ist mit ihrem Bestellblock wiedergekommen. Sami bestellt Krebse und gebratenen Reis.
    »Wollen Sie etwas trinken?
    »Nur Wasser, danke.«
    »Leitungs- oder Mineralwasser?«
    »Leitungswasser, bitte.«
    »Okay.«
    Der Fahrer beobachtet sie, als sie geht. »Toller kleiner Arsch.«
    Sami lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Atmet tief durch. Sein Herz hat aufgehört zu rasen. Wenn er sich von den Straßen fernhält, kann er sich die Zeit zum Nachdenken nehmen.
    Er sieht auf und bemerkt, wie das Mädchen im Rollstuhl ihn anstarrt. Sie steht auf den Gruftlook – dunkler Lippenstift, dunkler Lidschatten und schwarz gefärbtes Haar, das um ihren Kopf herum gerade abgeschnitten ist. Es sieht aus, als hätte ihr jemand eine Suppenschüssel auf den Kopf gestülpt und am Rand entlanggeschnitten.
    Sami nickt ihr zu. Sie wendet den Blick ab.
    Sami sieht zum Fenster hinaus. Zwischen den aufgehängten Enten hindurch sieht er, wie draußen ein Polizeiauto hält. Die Beamten steigen aus und sprechen mit den Passanten.
    Ein alter Mann in sechs verschiedenen Lagen Kleidern wandert den Gehweg rauf und runter, er trägt eine Tafel, auf der steht: Der Tag des Jüngsten Gerichts ist nah. Auf der Rückseite steht: Sei bereit für das Fegefeuer.
    Die Leute treten vom Bürgersteig hinunter, um ihm auszuweichen.
    Plötzlich bleibt er stehen und blinzelt Sami durch das Fenster an. Sami versucht wegzuschauen, aber es ist zu spät. Der Alte geht in die Knie und setzt seine Tafel ab. Er drückt die Restauranttür auf, geht an der Kasse vorbei.
    »Du musst errettet werden«, ruft er mit brüchiger Stimme. »Du bist ein Sünder, aber noch ist Zeit!«
    Sami fühlt sich hilflos. Alle im Restaurant starren ihn an. Der Alte lehnt über ihm, seine Hände ausgebreitet, Handflächen nach oben, wie so ein amerikanischer Massenprediger, der die bösen Geister austreibt.
    »Dies ist eine Stadt der Sünde und Sodomie. Deshalb straft Gott sie heute. Dieser Mann ist an den Toren der Hölle gewesen. Er hat Satan ins Angesicht geschaut.«
    »Nein, habe ich nicht«, sagt Sami. »Das stimmt nicht. Ich bin nur zum Mittagessen hier.«
    Die Stimme des Tafeltypen wird lauter. »Dieser Mann ist ein Sünder, aber er will Buße tun.«
    Die Türglocke bimmelt. Ein junger Polizist kommt herein und bleibt am Eingangstresen stehen, er hält seinen Helm in der Hand.
    »Wofür soll er denn büßen?«, fragt er den Alten.
    »Nichts«, platzt Sami heraus, drückt seine Knie in den Rucksack.
    Der Polizist sieht ihn entschuldigend an. »Belästigt Sie dieser Gentleman, Sir?«
    »Ein wenig.«
    »Ich werde ihn wegschicken.« Er entfaltet ein Blatt Papier. »Ich wollte nur fragen, ob jemand von Ihnen einen Mann gesehen hat, der einen dunklen Rucksack trägt? Er ist zwischen 25 und 35 Jahre alt, zierlich, hellbraune Haare, trägt Jeans und ein Sweatshirt. Wenn Sie jemanden sehen, auf den diese Beschreibung zutrifft, benachrichtigen Sie bitte umgehend die Polizei. Bitte nähern Sie sich ihm nicht.«
    Er faltet das Papier wieder zusammen und steckt es in die Tasche.
    Der Lieferwagenfahrer sieht Sami an. »Der Typ hört sich genau an wie Sie.«
    »Meinen Sie?«
    »Yeah.«
    Sami versucht zu lachen.
    »Haben Sie einen Rucksack, Sir?«, fragt der Polizist.
    »Der hat eine andere Farbe.«
    »Kann ich ihn mal sehen?«
    Samis Hand ist unter dem Tisch, zwischen seinen Schenkeln und fühlt nach dem Rucksack. Nach dem Reißverschluss.
    »Was soll dieser Typ denn getan haben?«, fragt er in dem Versuch, entspannt zu klingen.
    »Er wird im Zusammenhang mit einer polizeilichen Ermittlung gesucht.«
    »Er ist also nicht gefährlich.«
    »Wir bitten die Leute, sich ihm nicht zu nähern.«
    Samis rechte Hand hat die große Tasche im Rucksack gefunden. Seine Finger schließen sich um die Halbautomatische, die immer noch in der Plastiktüte für Beweismaterial steckt. Mit Etikett. Katalogisiert. Beweisstück A.
    Der Polizist hat sich nicht gerührt. Er sucht nach etwas in Samis Augen. Schuld. Angst. Wahnsinn. Jetzt bewegt er sich langsam in Richtung Tür, greift nach der Klinke.
    Er weiß es, er weiß es, denkt Sami. Das einzige Geräusch in