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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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denn?«, fragte er. »Ich hab die ganze Nacht nicht gepennt. Ich hab auf dich gewartet.«
    Sollte ich jetzt etwa Mitleid haben – so wie er sich in letzter Zeit mir gegenüber verhalten hatte? Er hatte sie wohl nicht mehr alle. Außerdem hatte ich ihm doch gesagt, dass ich nicht heimkommen würde.
    »Ich wollte mit dir reden«, sagte er kleinlaut.
    Ich traute meinen Ohren nicht. Es war Lichtjahre her, dass er mit mir hatte reden wollen. Langsam wurde es bedenklich.
    »Sollen wir uns treffen?«, fragte ich besorgt.
    »Ich hab keine Zeit«, sagte er, plötzlich gehetzt. »Ich ruf dich später noch mal an. Ciao.« Damit war das Gespräch beendet.
    »Was ist los?«, fragte Nils. Wir waren unterwegs in die Stadt. »Schlechte Nachrichten?«
    »Mein kleiner Bruder. Er war ein bisschen seltsam. Er wollte mit mir reden.«
    Nils grinste sparsam. »Was sensationell ist?«
    »Allerdings. Nicht nur reden, sondern auch noch mit mir. Da ist irgendwas oberfaul.«
    »Was könnte das Problem sein?«, fragte Nils.
    »Ist das jetzt wieder dein ererbter kriminalistischer Instinkt oder was?« Er ging mir plötzlich auf die Nerven.
    »Keine Panik. Stinknormale Neugier.«
    Ich glaubte ihm kein Wort. »Mein kleiner Bruder kann eine ziemliche Nervensäge sein, Herr Oberkommissar Schlauscheißer, aber kriminell ist er garantiert nicht.«
    »Hab ich das etwa behauptet?« Im Nachhinein bewundere ich seine Ruhe. »Da drüben, das ist übrigens die Tankstelle, wo …« Sie lag auf der anderen Seite der Hauptstraße und war noch gesperrt. Mehrere Autos parkten vor den Tanksäulen, die meisten davon Polizeiwagen. Mindestens ein Dutzend Menschen flitzte ameisenhaft auf dem Gelände hin und her. Manche verschwanden im Geschäftsraum, andere kamen heraus. Notizen wurden gemacht, es wurde diskutiert und telefoniert.
    »Lass uns mal rübergehen«, schlug Nils vor. »Sicher ist meine Mutter auch da.«
    Marlena war ungefähr eine Stunde vor uns aufgebrochen, nachdem sie keine zwei Stunden geschlafen hatte.
    Nils war nicht zu bremsen. Er war wie von einem unsichtbaren Magneten angezogen. Mir selbst war eher unheimlich bei dem Gedanken, was letzte Nacht hier passiert war.
    Noch bevor wir auf der anderen Straßenseite angekommen waren, sah ich Marlenas blondes Haar hinter der Scheibe des Geschäftsraumes. Die Absperrung, vor der ein paar Schaulustige ihre Neugier befriedigten, wurde von einem Polizisten in Uniform überwacht. Als Marlena herauskam, sah sie uns sofort. Sie gab dem Uniformierten ein Zeichen, dass er uns vorbeilassen könne.
    »Die Spuren sind so weit gesichert«, erklärte sie und winkte uns zu sich. »Wir geben die Tankstelle jetzt wieder frei.«
    Das dumpfe Flattern in meinem Bauch steigerte sich. Ich war noch nie an einem Ort gewesen, an dem vor Kurzem jemand ermordet wurde. Mir war, als könne man den Tod noch riechen. Nils grüßte ein paar Kollegen seiner Mutter.
    »Hallo, ihr beiden.« Marlenas Lächeln war kaum sichtbar. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die ein leichter Wind sofort wieder zurücktrieb.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte Nils.
    »Der Angestellte, Bernd Kügler«, Marlena zeigte auf einen blassen, etwa dreißigjährigen Mann, der etwas abseits stand und noch immer verwirrt schien, »hat ausgesagt, dass die Täter Handschuhe trugen. Jetzt haben wir das Video noch mal überprüft. Der Mann täuscht sich. Einer der Täter hatte definitiv keine Handschuhe.«
    »Wichtig?«, fragte Nils.
    »Könnte gut sein«, meinte Marlena, »er war derjenige, der sich nach der Brieftasche des Toten gebückt hat.«
    Nils wollte wissen, ob der Typ die Brieftasche angefasst hatte. »Das kann man dummerweise auf dem Video nicht genau sehen, weil der Tresen davor ist. Kügler, unser einziger Zeuge, sagt Ja. Aber ob das auch stimmt?«
    »Warum hat der Täter sie nicht mitgenommen?«
    »Nach Küglers Aussage hat er sie wieder fallen lassen, als das spätere Opfer ihm mit der Faust auf den Kopf geschlagen hat. Danach ist alles sehr schnell gegangen und keiner hat mehr auf die Brieftasche geachtet. Die haben wir. Jetzt hoffen wir auf Fingerabdrücke.«
    Wir schauten alle zu Kügler rüber, als wollten wir die Zuverlässigkeit seiner Aussage einschätzen. Er war im Gespräch mit einer jüngeren Polizistin, die ihn zu beruhigen versuchte. Er schien kurz vorm Losheulen.
    »Ich glaube, er braucht psychologische Betreuung«, schob Marlena ein und fuhr dann fort: »Die Brieftasche ist im Labor. Vielleicht haben wir Glück.«
    »Und

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