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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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zurückkam.
    »Gar nicht versucht.« Mir wurde schon schlecht, wenn ich nur daran dachte. »Mein Bruder hat sein Handy wieder ausgeschaltet.«
    Nils betrachtete mich genau. Zu genau, um das mal ganz klar zu sagen.
    »Warum schaust du mich so an?«
    »Du machst dir Sorgen um ihn?«
    Verdammt! Was saß ich hier eigentlich mit diesem Typen rum, der wirklich nichts anderes konnte, als mir Löcher in den Bauch zu fragen? Auch wenn er nicht ganz unrecht hatte. Das Handy war Pits Ein und Alles. Er schaltete es nie aus. Und jetzt hatte er genau das gleich zweimal nacheinander getan.
    Plötzlich wurde die Tür zu den hinteren Räumen aufgerissen. Fred erschien, offenbar stinksauer, und stürzte, ohne nach rechts oder links zu schauen, sofort hinaus auf die Straße. Eine seltsame Szene. Die Bedienung glotzte ihm mit leerem Blick hinterher.
    »Aber …«, brachte sie hervor und verfiel wieder in ihr dumpfes Schweigen.
    »Ist das hier eine Drogenkneipe?«, fragte Nils.
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Wäre mir auch neu«, entgegnete er und schlürfte seinen Cappuccino. »Hat vielleicht der Besitzer gewechselt?«
    »Allerdings. Der jetzige heißt Fred. Der Typ, der hier gerade durchgefegt ist. Er ist erst seit ein paar Wochen in der Stadt. Kommt wohl aus Hamburg. – Aber wieso Drogen?«
    »Weil sie drauf ist.« Er deutete mit dem Kopf Richtung Bedienung. »Schau ihr mal in die Augen.«
    »Selbst wenn«, sagte ich, »nur weil die Bedienung bekifft ist, muss das hier ja nicht gleich eine Drogenhöhle sein, oder?«
    »Natürlich nicht«, meinte er. »War nur so ein Gedanke.«
    »Ist das dein Hobby?« Mit dem Finger wischte ich eine letzte Schaumspur vom Rand meiner leeren Tasse. »Detektiv spielen?« Ich leckte den Finger ab.
    »Vielleicht steckt es mir in den Genen«, meinte er. »Von der Seite meiner Mutter.«
    Ich lächelte. Aber dann passierte etwas, was meine Aufmerksamkeit voll in Anspruch nahm. Die Tür zum Hinterzimmer, aus der Fred eben herausgeschossen war, flog jetzt erneut auf und zwei Typen traten heraus. Der eine von ihnen war … Pit.

6
    Zumindest glaubte ich das ungefähr eine halbe Sekunde lang. Aber es war nur jemand, der dieselbe Größe hatte wie er und ähnlich gekleidet war: dunkler Sweater, dunkle Hose, schwarze Wollmütze. Der andere war der Typ, den ich am Vorabend mit Pit zusammen gesehen hatte. Jetzt schien er fix und fertig, unter seinen geröteten Augen hatten sich dunkle Ränder gebildet.
    Ohne Zögern ging ich auf ihn zu. Das war meine Chance. Ich spürte Nils’ verblüffte Blicke in meinem Rücken. Als sie mich kommen sahen, richteten die beiden sich kerzengerade auf, fast als erwarteten sie einen Angriff.
    »Weißt du«, sprach ich den Älteren an, »wo Pit ist?«
    »Pit?« Er wirkte nervös. »Was willst du von dem?«
    Ich versuchte, ruhig zu bleiben. »Wir haben uns gestern Abend kurz kennengelernt.« Unbeirrt sah ich ihm in die Augen. »Hier vor der Tür. Ich bin Klara, Pits Schwester. Du warst mit ihm zusammen.«
    »Stimmt. Jetzt erinnere ich mich.« Er wandte sich in Richtung Ausgang. Sein Begleiter folgte ihm stumm. »Aber ich hab keine Ahnung, wo dein Bruderherz ist. Wir kennen uns auch gar nicht richtig. Sorry.«
    »Was hat er denn gestern Abend gemacht«, rief ich ihm hinterher, »nachdem wir uns hier getroffen haben? Hat er noch mehr Geld in Automaten gesteckt?«
    Er blieb kurz stehen, den Türgriff schon in der Hand. Er sah mich an, als habe er von dieser Automatengeschichte noch nie etwas gehört. »Keine Ahnung. Fünf Minuten später haben wir uns getrennt. Ich glaub, er wollte nach Hause. War er da nicht?« Ich hatte sofort das Gefühl, dass er log. Trotzdem hakte ich nicht weiter nach, denn er hätte mir auch in hundert Jahren nicht die Wahrheit gesagt.
    Er wiederholte noch einmal: »Wir kennen uns wirklich kaum. Sicher weiß er nicht mal, wie ich heiße.«
    »Und«, fragte ich, »wie heißt du?«
    Er wurde unsicher. »Rumpelstilzchen«, entgegnete er mit einem Lächeln.
    Er hatte schöne Zähne. Unter anderen Umständen hätte er mir vielleicht gefallen. Wenn er ausgeschlafen war, sah er sicher gut aus. Als er draußen war, steckte er noch einmal den Kopf zur Tür herein. »Philipp«, sagte er. »Aber du kannst Phil zu mir sagen. Wer weiß, wozu es noch mal gut ist, dass du meinen Namen weißt.«
    Dann verschwand er. Noch nie in meinem Leben hatte ich ein so seltsames Gefühl wie in diesem Augenblick, auch wenn ich es nicht ergründen konnte.
    Ich verscheuchte meine düsteren

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