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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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sonst?«
    »Nicht viel.«
    Trotzdem wirkte Marlena nicht pessimistisch. Während des Redens waren wir ins Kassenhäuschen gegangen. Auf dem Boden war noch die Stelle gekennzeichnet, wo der Tote gelegen hatte. Direkt daneben sah ich Blutspuren. Auf einmal bekam ich ein widerwärtig flaues Gefühl im Magen. Mir wurde schwarz vor Augen und die Stimmen um mich her entfernten sich.
    »Hey, Klara!« Nils’ Worte drangen wie durch tausend Schleier zu mir durch. »Alles okay?«
    »Alles okay«, antwortete ich. »Kein Problem.«
    Langsam gewannen Gegenstände und Menschen ihre Konturen zurück. Sogar der Aufruhr in meinen Innereien beruhigte sich etwas.
    »Geht besser raus an die frische Luft«, schlug Marlena vor. Sie klang besorgt.
    Nils nahm meinen Arm und wollte mich vor die Tür führen. »Ich kann alleine gehen«, zischte ich ihn an und schüttelte seine Hand ab.
    »Ist wirklich alles okay?«, fragte er, nachdem ich draußen ein paarmal tief durchgeatmet hatte. Er ließ mich nicht aus den Augen. Das machte mich nervös. Der ganze Typ machte mich plötzlich nervös.
    »Mir war nur ein bisschen übel. Sicher zu viel Kaffee.«
    »Du brauchst dich nicht zu schämen.«
    Was dann kam, war so überraschend, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte: Mit zwei Fingern streichelte er mein Gesicht.
    »Ich finde es eher seltsam«, sagte er, »wenn Leute sich so was mit dem gleichen Gefühl angucken wie im Kino.«
    Seine Hand hatte er schon wieder zurückgezogen. Ich ärgerte mich, dass ich ihm nicht rechtzeitig draufgeklopft hatte. Und noch viel mehr ärgerte ich mich, dass ich dieses herablassende Streicheln gar nicht so herablassend fand. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war.
    Die Stunden vergingen und Pit meldete sich nicht. Mit jeder Minute ärgerte ich mich mehr über ihn. Dann fing ich wieder an, mir Sorgen zu machen. Er hatte sich merkwürdig angehört vorhin. Wenn ihm nur nichts passiert war. Schließlich hielt ich das Warten nicht mehr aus und wählte erneut seine Nummer. Er nahm ab und sofort blaffte er mich an.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich anrufe, wenn ich Zeit hab! Oder bist du neuerdings taub?«
    Schon hatte er mich weggedrückt. Völlig verdattert schaute ich das Handy an, aber es gab keine Erklärung. Ungefähr eine halbe Stunde hielt ich mich zurück, was nicht leicht war. Dann ging es nicht mehr und ich startete den nächsten Versuch. Aber er ließ mich eiskalt auflaufen: Sein Telefon war ausgeschaltet. Irgendwie passte das überhaupt nicht zu ihm. Mein mulmiges Gefühl wuchs.
    Nils hatte mich, nachdem wir uns in der Stadt getrennt und wieder getroffen hatten, auf einen Cappuccino eingeladen, was ich eigentlich gar nicht wollte. Schließlich aber hatte ich ihn ins Moby Dick gelotst, weil ich Pit hier zuletzt gesehen hatte.
    Ich war froh, dass dieser blöde Fred nicht da war. Auf seine schleimige Anmache hatte ich überhaupt keine Lust. An seiner Stelle bediente heute ein Mädchen, kaum älter als ich, höchstens siebzehn. Sie war hübsch, wirkte aber, als befände sie sich unter einer Glasglocke. Sie schien überhaupt nicht richtig da zu sein. Ihre Bewegungen waren seltsam unbeholfen. Wenn sie etwas anfasste, sah es aus, als würde sie ins Leere greifen. Sicher machte sie diesen Job noch nicht lange. Wahrscheinlich hatte Fred sie kurzfristig als Vertretung eingesetzt, weil er niemand anderen hatte. Ihre Stimme klang heiser.
    Als sie die Cappuccino-Tassen auf unseren Tisch stellte, sah sie uns nicht an. Ihre Blicke wanderten immer wieder zum Fenster. Nils dagegen ließ sie nicht aus den Augen. Das konnte einem fast schon auf die Nerven gehen.
    »Sie hat Ähnlichkeit mit dir«, meinte er, als sie gegangen war. »Quatsch«, sagte ich. »So ’ne blöde Kuh.«
    Nils grinste und ich dachte wieder an Pit. Er war der Einzige, der mir etwas über die Lage zu Hause erzählen konnte. Dort einfach anzurufen traute ich mich nicht. Andererseits mussten meine Eltern so schnell wie möglich erfahren, wo ich letzte Nacht gewesen war. Sonst hatte ich in der nächsten Nacht ein Problem, weil ich ohne Schlafplatz war. Marlenas Standpunkt war klar, ihre Ansage deutlich.
    Um ungestört mit Pit telefonieren zu können, verzog ich mich in den kleinen Flur vor den Toiletten. Die geistig abwesende Bedienung verschwand hinter einer Tür mit dem Schild Privat , hinter der laut gestritten wurde. Unter anderen glaubte ich, Freds Stimme zu erkennen.
    »Na, hast du deine Eltern erreicht?«, fragte Nils, als ich an den Tisch

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