Bis einer stirbt
wohl nicht richtig.«
»Doch, tust du.«
»Warum hab ich das verdammte Scheißgefühl, dass du es warst, der diesem Hosenscheißer das eingeredet hat? Warum bloß?«
Will er sich ihm in den Weg stellen? Will diese unbedeutende Kreatur sich vielleicht sogar der ganzen Organisation in den Weg stellen? Zu allem Überfluss scheint er nun auch noch mutiger zu werden.
»Der packt das einfach nicht.« Es scheint fast, als sei er erleichtert, dass er diesen Satz endlich aussprechen kann. »Und er will es auch nicht.«
»Um das mal klarzustellen«, fragt der Boss, »sagst jetzt nur du das? Oder hat er das selbst gesagt?« Der andere überhört scheinbar die bedrohliche Schärfe in seiner Stimme, die klingt wie ein frisch geschliffenes Messer.
»Er selbst hat es gesagt.« Tatsächlich lächelt er ein bisschen. »Und er hat auch …«
Im nächsten Augenblick, völlig unvorhersehbar, schlägt ihm der Boss mit der Rechten hart ins Gesicht. Die Linke landet an seiner Schläfe. Er knallt gegen die Wand, sackt auf den Boden, aber der Zorn vom Boss ist noch nicht gestillt. Immer weiter schlägt er auf den völlig Wehrlosen ein. Wie gelähmt schauen die anderen zu. »Hör auf! Du bringst ihn ja um!«
Der Schrei des Mädchens ist wie ein Weckruf. Endlich lässt der Boss von seinem inzwischen reglosen Opfer ab. Langsam stehen die anderen auf und sammeln sich um ihn herum. Fassungslos starren sie den am Boden Liegenden an. Es ist totenstill.
7
»Warum rufen deine Eltern dich eigentlich nicht an?«, fragte Nils. »Im Zeitalter der Mobiltelefone kann man doch gar nicht mehr ungestört abhauen.«
»Sie haben meine Nummer nicht«, gab ich zurück. »Neues Handy.«
Wir saßen weiter im Moby Dick , hatten gerade unseren zweiten Cappuccino bekommen. Ich war mit meinen Gedanken nicht wirklich bei meinen Eltern. Erst recht nicht bei meinem Handy und schon lange nicht mehr bei Nils. Ich war bei Pit und nur bei ihm. Denn ich hatte eine Eingebung, die mich nicht mehr losließ. Mein Herz raste wie wild. »Kommst du mit mir?« Ich war schon halb von meinem Stuhl aufgesprungen. »Und wohin?« Nils war verdattert.
»Nach hinten«, sagte ich. »Pit ist hier.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Das letzte Puzzleteil: der Typ, mit dem ich gerade gesprochen habe. Der hat gelogen, als ich nach meinem Bruder gefragt habe. Komm!«
Alles passte plötzlich zusammen. Wir gingen in den Flur vor den Toiletten. Ohne Zögern riss ich die Tür PRIVAT auf. Aber dahinter saßen nur zwei Typen, die ich noch nie gesehen hatte, im Halbdunkel an einem Tisch, qualmten und spielten Karten. Überrascht glotzten sie zurück, als ich plötzlich in der Tür stand. Sie waren beide weit über zwanzig. Der eine sah ganz nett aus, aber der andere schien schon auf den ersten Blick fies. Er hatte langes, fettiges Haar und sein Gesicht war voller entzündeter Pickel. Er trug eine Lederjacke, die wahrscheinlich sein Urgroßvater schon geerbt hatte.
»Wer bist du denn?«, fragte der Erste und grinste mich schleimig an. Jetzt sah ich, dass er kaum noch Zähne im Mund hatte. In diesem Moment schaltete Nils sich ein. »Wo ist Pit?« Seine Frage kam über meine Schulter. Seine Hand auch, sie hielt die Tür auf.
»Wo ist wer?«, wollte der Typ mit dem unvollständigen Gebiss wissen. Er stand auf und kam drohend auf uns zu. Sein Mundgeruch war unerträglich. Trotzdem wichen wir keinen Millimeter zurück. Im Gegenteil, Nils schob sich sogar an mir vorbei und ging ihm einen halben Schritt entgegen. »Pit!«, wiederholte er energisch. Er versuchte, es zu verbergen, aber ich hörte die Angst in seiner Stimme. Der Typ baute sich vor Nils auf, das Gesicht keine zwei Zentimeter von seinem entfernt.
»Wenn ihr euch nicht sofort verpisst«, zischte er, »dann passiert was. Klar?« Er bohrte seine Blicke noch tiefer in Nils’ Augen, aber der blieb standhaft.
Dann kam auch der Lederjackentyp dazu. Die Aggressivität seines Kumpels schien ihn nervös zu machen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er beschwichtigend, zog ihn von Nils zurück und drängte ihn nach hinten. »Mein Freund hier meint es nicht so. Er hat nur schlecht geschlafen. Sonst ist er eher ein ruhiger Typ. – Wen sucht ihr? Pete? Ich kenne zwar jemanden, der so heißt. Aber der wohnt in Hamburg. Und ich glaub nicht, dass ihr den meint.«
Er sprach direkt zu mir gewandt, Nils schien er zu übersehen. Trotz seiner dick aufgetragenen Freundlichkeit wurde ich das Gefühl nicht los, dass er uns beide am liebsten verprügelt
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