Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
die große schwarze Kapuzengestalt,die sich schwach von dem blasseren Dunkel des Trailers abhob. Es war ein langer, fest stehender Anhänger mit eckigen Kanten und niedrigem Dach und ich ging davon aus, dass er früher mal an Feriengäste vermietet worden war. Inzwischen allerdings würde niemand, der halbwegs bei klarem Verstand war, dort übernachten wollen. Die Wände waren verbeult, die Fenster grün von Algen und das Dach von spirreligem Unkraut und vergilbten Gräsern überwuchert.
Stevie stand beim Eingang, und als er die Hand hob und nach der Tür fasste, glaubte ich eine Sekunde lang, er würde hineingehen. Doch das tat er nicht. Stattdessen griff er nach etwas auf halber Höhe der Tür, beugte sich vor und musterte es einen Moment lang genau, zog ein paar Mal dran … und das war auch schon alles. Er stand noch eine Weile da, ohne viel zu machen, sondern schaute sich nur um, dachte vielleicht über etwas nach, und dann – nach einer weiteren kurzen Überprüfung dessen, was wohl ein Vorhängeschloss sein musste –, drehte er sich um und ging weg. Und diesmal lief er zu meiner Erleichterung tatsächlich den Weg entlang, fort von dem Wohnwagen, fort von Robyn, fort von mir …
Ich wartete, sah zu, wie er verschwand. Seine dunkle Kapuzengestalt erinnerte mich an den Sensenmann, den er auf seinem Rücken tätowiert trug. Ich beobachtete, wie er nach vorn gebeugt den Weg hinaufging und sich im Dunkel der Nacht verlor, und als er endlich außer Sicht war, wartete ich noch ein bisschen länger … und ertappte mich dabei, wie ich über den Trailer nachdachte und darüber, wieso er mit einem Vorhängeschloss verriegelt war … Warum hängt man ein Schloss vor etwas, das aussieht, als ob es bei der kleinsten Berührung zusammenfällt? Das ergab keinen Sinn. Und ich fragte mich, was sich wohl in dem vergammelten Anhänger befand … irgendwas Wertvolles, irgendwas Geheimes … irgendwas … nichts?
Und dann, als die schwarzen Gedanken langsam in meinenKopf zurücksickerten – Wen kümmert’s, was in dem vergammelten Anhänger ist oder wieso er mit einem Vorhängeschloss verriegelt ist? Ist doch scheißegal, oder? Macht überhaupt keinen Unterschied … –, reckte ich mich, fuhr mir mit der Hand durch die klatschnassen Haare und stapfte durch den Matsch zur Vorderseite des Wohnwagens.
24
Die Wohnwagentür war abgeschlossen, doch als ich meine Stiftlampe herausholte, den Schein etwas abschirmte und das Schloss genauer betrachtete, stellte ich fest, dass es kein echtes Problem darstellte. Es war gar nichts, nur ein billiger, simpler Schnappmechanismus, und selbst wenn ich ihn nicht aufbekäme – was sehr unwahrscheinlich war –, schien die Tür so schwach, dass auch ein paarmal Dagegentreten reichen würde. Ich brach den kleinen Metallclip zum Feststecken der Stiftlampe ab, schnappte mir mein Portemonnaie, zog eine Kreditkarte heraus und machte mich ans Werk.
Es dauerte nicht lange.
Als das Schloss aufsprang und sich die Wohnwagentür bewegte, verharrte ich einen Moment, denn ich merkte auf einmal, dass ich gar keine Vorstellung hatte, was ich drinnen überhaupt wollte. Ich hatte mir keinen Plan gemacht … ich hatte nicht drüber nachgedacht … ich hatte nicht den kleinsten vernünftigen Gedanken an irgendwas verschwendet.
Einen Moment lang dachte ich jetzt doch drüber nach, merkte aber schnell, dass sich nicht mehr viel daran ändern ließ. Also holte ich einmal tief Luft und öffnete die Tür.
Im Innern war es pechschwarz. Ich schaltete wieder die Stiftlampe an und schaute mich um. Robyn hatte sich nicht bewegt, sie lag noch immer auf dem Bett, die Augen geschlossen, und als ich hinüberging und mich neben sie hockte,war nicht zu erkennen, ob sie sich meiner Gegenwart bewusst war. Ich leuchtete ihr mit der Lampe ins Gesicht, betrachtete sie genau und versuchte mir klar zu werden, in welchem Zustand sie war. Der Atem ging relativ gleichmäßig, nicht zu schnell und nicht zu langsam, und selbst wenn sie ziemlich blass war, wirkten weder Lippen noch Haut auffällig entfärbt, es gab kein Zeichen, dass sie blau anliefen. Ich nahm ihr Handgelenk und prüfte den Puls … auch er schien, soweit ich es beurteilen konnte, ziemlich stabil.
Ich ließ ihr Handgelenk los und zündete eine Zigarette an.
Ich war mir sehr sicher, dass sie keine Überdosis abgekriegt hatte, sondern einfach nur mehr Heroin, als sie gewohnt war … oder vielleicht war das Zeug, das ihr Stevie gegeben hatte, einfach reiner als
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