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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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war nicht schwer zu erraten, was sie wollte.
    Ich beobachtete, wie Stevie auf sie zuging und im Gehen leise sprach … er blieb direkt vor ihr stehen und schob die Hand vor. Robyn zuckte zurück, ging auf Abstand. Stevie wartete, hielt die Hand offen. Robyn schaute zu ihm hoch. Stevie streckte die Hand wieder vor und streichelte ihre schweißnassen Haare. Robyn versuchte zu lächeln, doch die Schmerzen waren anscheinend zu stark. Sie fasste nach Stevies Hand und fing an zu betteln – Bitte, Stevie, bitte … ich brauch dringend was, du musst mir helfen, verdammt, ich sterbe … bitte … ich tu auch alles für dich, das weißt du doch … Sie ließ die Hand wieder los und fasste nach seinem Reißverschluss.
    Stevie schlug ihre Hand weg.
    Robyn begann zu weinen.
    Ich schloss die Augen, nicht sicher, ob ich es weiter ertragen konnte …
    Aber mir war klar, dass ich es weiter ertragen musste.
    Als ich die Augen wieder öffnete, saß Robyn immer noch auf dem Bett und rieb sich verzweifelt die Arme, doch Stevie war nirgends zu sehen und für einen Moment dachte ich: Scheiße, er hat dich entdeckt, jetzt kommt er raus. Doch ehe ich überhaupt Gelegenheit hatte, in Panik zu geraten, tauchte er plötzlich wieder auf, von irgendwo links seitlich vom Fenster, und ging hinüber zu Robyn. Sie konnte die Augen nicht von ihm abwenden, sie starrte ihn an, als ob er das Einzige auf der Welt wäre, und als er vor ihr stehen blieb und die Hand ausstreckte, um ihr die Spritze zu zeigen, die er festhielt, sprangen ihr die Augen fast aus dem Kopf.
    Während sie den Ledergürtel aus ihrer Jeans riss und anfing, ihn sich um den Oberarm zu wickeln, stand Stevie nur da, beobachtete sie, genoss ihre fummelnde Verzweiflung,und als sie fertig war und die Hand nach der Spritze ausstreckte, schnappte er sie ihr weg, grinste, hielt das Ding in die Höhe und ließ Robyn betteln …
    Nein! Stevie … bitte nicht, Stevie … gib sie mir, bitte …
    Und dann, als er genug hatte, warf er die Spritze einfach aufs Bett – als würde er einem Schwein irgendwelche Reste hinwerfen – und schaute verächtlich zu, wie Robyn nach ihr herumtastete, sie fand, sie fallen ließ, wiederfand …
    Ich wollte wieder die Augen schließen. Ich wollte nicht sehen, wie sich meine Halbschwester einen Schuss setzte – schluchzend und bebend suchte sie nach einer Vene, ihre Hand zitterte, als sie die Nadel in die Haut stach … Ich wollte nicht sehen, wie sich ihre Augen verdrehten, fast im gleichen Moment, in dem sie das Heroin in den Arm drückte … doch ich zwang mich, jeden armseligen kleinen Moment mitzuerleben.
    Und es ging mir echt an die Nieren.
    Es war durchaus nicht das Schlimmste, was ich je erlebt hatte – bei Weitem nicht –, und ich hatte schon viele Junkies gesehen, die sich einen Schuss setzten … Außerdem hatte ich ja längst kapiert, dass Robyn ein Junkie war, und war mir sehr wohl bewusst, was das hieß … Ich meine, es brachte mich nicht komplett aus der Fassung zu sehen, wie sie auf einem schmutzigen Bett saß und sich die verdammte Nadel in den Arm stach …
    Trotzdem ging es mir an die Nieren.
    Ich hasste es.
    Ich hasste alles daran – das Schmuddelige, die Verzweiflung, das Elend … und Stevie, diesen Scheißkerl, der einfach nur dastand, sich an den Eiern kratzte und zusah, wie sie rücklings gegen die Wand sackte, mit flatternden Augen und schlaff nach vorn wippendem Kopf …
    Ich wäre fast losgestürmt.
    Robyn sah wirklich nicht gut aus. Sie regte sich nicht, ihre Augen waren geschlossen, der Mund hing offen … daswar nicht in Ordnung. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie noch atmete.
    Ich musste etwas tun.
    Doch gerade als ich losrennen wollte, sah ich, wie Stevie zum Bett hinüberging, und ich zwang mich zu warten … nur einen Moment, mal sehen, was er tut. Ich sah, wie er sich über das Bett beugte, zwei Finger an Robyns Hals hielt, nach dem Puls suchte … und nach ein paar Schrecksekunden nickte er sich selbst zu, offenbar zufrieden, dann nahm er die Finger von ihrem Hals und schlug ihr leicht auf die Wange. Zuerst reagierte sie nicht. Ihr Kopf sackte zur Seite. Aber dann, als er ihr noch einen Klaps gab, diesmal etwas fester, zuckten zum Glück ihre Augen und öffneten sich leicht.
    Ich atmete aus.
    Sie sah noch immer ziemlich schlimm aus – kaum bei Bewusstsein kämpfte sie damit, die Augen offen zu halten –, doch immerhin war sie am Leben.
    Stevie sprach jetzt mit ihr, hielt ihr Kinn in der Hand und zwang sie, ihn

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