Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
»Ich hatte wirklich keinen Schimmer, weißt du … wir hatten ja nur das eine Mal miteinander geschlafen und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass das irgendwelche Folgen haben könnte. Aber dann bekam ich meine Tage nicht mehr und morgens war mir dauernd schlecht, also hab ich einen Test gemacht … tja … und das war’s. Positiv. Ich war schwanger.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte leicht in sich hinein. »Ich konnte es nicht fassen.«
»Und Dad … war eindeutig der Vater?«
»O ja«, sagte sie überzeugt. »Es konnte kein anderer sein … es gab niemand andern.« Sie sah mich an. »Kann sein, dass ich nicht gewusst habe, was ich mit dem Baby anfangen sollte –, ob ich es kriegen sollte oder nicht und wie ich es allein großziehen sollte –, aber das eine wusste ich ganz genau: Nur Jim konnte der Vater sein.«
»Weiß es sonst noch jemand?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es nie jemandem erzählt.«
»Auch nicht Robyn?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Du kennst ihren Namen?«
Ich nickte. »Weiß sie, wer ihr Vater ist?«
»Es war schwierig«, sagte Serina müde und drückte ihre Zigarette aus. »Alles war schwierig. Ich war jung, verwirrt, ganz auf mich allein gestellt … ich hatte keine Arbeit, kein Geld. Ich hatte keine Ahnung vom Muttersein. Das Sozialamt hat mir immer wieder erklärt, Robyn wäre im Heim besser aufgehoben, aber das wollte ich auf keinen Fall. Deshalb musste ich mich um jeden Preis beweisen, verstehst du … ich musste die ganze Zeit kämpfen. Und ich habe wirklich versucht, mein Bestes zu geben. Doch als Robyn alt genug war, um ihr von Jim zu erzählen – damals war sie so um die zehn, elf –, da war sie schon so verdorben, dass es ihr am Arsch vorbeiging. Ich hab ihr trotzdem so viel erzählt, wie sie meiner Meinung nach wissen musste, aber ich hätte genauso gut gegen die Wand sprechen können. Sie saß bloß da, starrte durch mich hindurch, und als ich fertig war, sagte sie: ›War’s das? Kann ich jetzt gehen?‹ Und seitdem hat sie das Thema nie wieder erwähnt.«
»Echt?«
Serina nickte. »Hinter der ganzen Fassade ist sie eigentlich ein wunderbares Mädchen – klug, nachdenklich, lustig, fürsorglich – und ich liebe sie mehr als alles andere, aber sie war schon immer ziemlich durcheinander. So wie ich wahrscheinlich. Schule schwänzen, klauen, sich prügeln, trinken … und dann, vor ungefähr zwei, drei Jahren hat sie mit den Drogen angefangen. Zuerst war’s nur ein bisschen Dope, da hab ich mir noch nicht allzu viel Sorgen gemacht, aber dann hat sie mit Skunk angefangen, was sie ziemlich nach unten zog, und bald danach baute sie alle mögliche Scheiße …« Serina zündete sich eine neue Zigarette an. »Das war auch ein Grund für mich, aus Hey wegzugehen und hierherzuziehen. Ich dachte, es würde Robyn helfen, verstehst du, sie von Hey und dem ganzen Mistzeug dort wegbringen.«
»Hat’s funktioniert?«
»Natürlich nicht, verdammt. Hier ist es vielleicht sogarnoch schlimmer. Diese Insel ist das reinste Junkie-Paradies.«
»Ehrlich? Wieso das?«
»Keine Ahnung …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass Robyn nie Probleme hat, an das zu kommen, was sie will, und weit muss sie dafür nicht laufen.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Arbeiten«, sagte Serina und warf einen Blick auf ihre Uhr. »Sie hat einen Teilzeitjob in dem Hofladen auf der anderen Seite der Insel. Sie macht da alles Mögliche – arbeitet als Verkäuferin, Kellnerin … da gibt es ein kleines Café, weißt du? Und manchmal erledigt sie auch Fahrten für die Leute.«
Es war schwer zu glauben, dass sie mit einem Teilzeitjob in einem Hofladen ihren Drogenkonsum finanzieren konnte, aber ich wollte im Moment nicht genauer nachhaken. Ich wollte nur …
Was?
Was wollte ich eigentlich?
Weg? Raus aus dem Haus?
Allein sein?
Nachdenken?
Was trinken?
Oder vielleicht wünschte ich mir ja vor allem, niemals hergekommen zu sein.
Ich wusste es wirklich nicht.
»Weiß sie von mir?«, fragte ich Serina.
»Was?«
»Robyn … weiß sie, dass sie einen Halbbruder hat?«
Serina wich meinem Blick aus. »Ich hatte vor, es ihr zu erzählen«, sagte sie leise. »Ich meine, als ich mit ihr über Jim geredet habe, hatte ich eigentlich auch vor, von dir zu erzählen … aber dann schien es mir einfach nicht richtig. Du weißt ja, sie hat sowieso nicht zugehört, anscheinend war es ihr völlig egal … Deshalb dachte ich, es wär vielleicht besser,auf einen geeigneten Zeitpunkt
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